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TECATE

Dienstag, 16.11.2010

Komplettsperrung
und CamouflageanzÜge

„Buenos dias! El pasaporte, por favor. Adónde va usted exactamente?“ frägt mich der Grenzbeamte, wohin soll´s denn gehen? „Solo transito à Belize!“ erwidere ich schnell, denn uns wurde geraten, nur „Durchfahrer“ zu sein, dann ginge die Abwicklung an der Grenze wesentlich schneller über die Bühne.

Und tatsächlich, wir haben Glück! Der junge Zöllner stempelt ohne zu fragen 180 Tage in unsere Touristcard (FMT) und wir verlassen grinsend das Officina. Ganz sind wir noch nicht durch, müssen wir doch unser Auto erst noch nachholen. Ja, alles läuft ein wenig anders hier: da es kaum Parkplätze gibt und öfter mal Schwierigkeiten an der Grenze, parken wir unser Auto ein paar Gehminuten vor der Schranke, laufen zu Fuß ins mexikanische Immigrations-Officina, holen uns dort die Tourist-Card, füllen sie aus und bekommen eben genannten Stempel.
$ 22 müssen wir bezahlen „pero, no!“ - nicht bei ihm, meint er entrüstet, da müssen wir zur Bank gehen, die sei im Centro. Später erfahren wir, dass die Sofort-Kasse aufgrund von Bestechungsvorfällen abgeschafft wurde. So wandern wir in die Stadt, immer noch zu Fuß, denn unser Auto steht ja noch auf amerikanischer Seite, reihen uns in die Warteschlange am Schalter ein, nach 30 Minuten können wir bezahlen. Direkt hinter den USA ist schon alles ganz und gar anders. Bunte, etwas heruntergekommene Häuser, quriliges Straßenbild, an allen Ecken und Enden wuselt es, „Oldtimer“ hupen und quietschen und die Mexikaner fahren wie beim Autoscooter.
Mit der Quittung in der Hand wandern wir zurück über die Grenze nach Amerika, werden nochmal eingehend inspiziert, diesmal volles Programm, kennen wir ja schon von den Amerikanern, Passkontrolle, Taschenkontrolle, Durchleuchten ect., zurück zum Parkplatz, steigen in den Toyota und fahren mit ausgefüllter Touristenkarte plus Bankquittung wieder nach Mexico. Dort werden wir hinausgewunken – jetzt ist Fahrzeugkontrolle angesagt. Wir haben uns für den Übertritt bei Tecate entschieden, da Tijuana – laut Berichten – wesentlich stressiger, warteintensiver, und „gefährlicher“ sein soll. Nun ja, wir haben es nicht getestet, die Abfertigung in Tecate war allerdings sehr einfach und angenehm. Zur Inspektion öffnen wir nur kurz die hinteren Türen, ein Beamter, bewaffnet bis an die Zähne, läßt sich unser Auto erklären, fünf weitere kommen hinzu. Zu sagen, es wäre eine Durchsuchung gewesen ist eigentlich übertrieben, mehr aus Neugierde schauen sechs Köpfe in den Toyota, öffnen zwei Kästchen, erwischen direkt die Toilette und können sich vor Lachen nicht mehr halten. Danach werden wir nur noch mit Fragen bezüglich unseres Vorhabens bombardiert, es werden Komplimente für das Auto ausgesprochen, etwas geschäkert und danach dürfen wir uns davon machen, ins wundervolle Mexico!


Zwei knappe Stunden auf endlosen Baustellenstraßen direkt der erste Sicherheitscheck: ich erschrecke schon etwas, als nach einer scharfen Kurve plötzlich Militär steht. Vier Beamte auf jeder Seite, Komplettsperrung. Camouflage-Anzüge und M16-Maschinengewehre, jeder hat eins an der Schulter, am Beingurt kleben Pistolen, im Gesicht Sonnenbrille und Cap, eiserne Mine. Mit der Hand zeigt er uns, wohin wir fahren müssen. Halt! „Pasaporte!“ - ich gebe ihm beide Pässe. Georg soll aussteigen, ich muss sitzenbleiben – auch ohne Worte deutlich. Die Hand an der Waffe steht der eine bei mir, der Andere geht nach hinten, ordert „Kofferraum auf!“. Der Camouflage-Mann geht rein, öffnet Schränke, hebt ein paar Boxen auf, guckt hinter die Lebensmittel, die Besteckschublade und den Kühlschrank, um gleich darauf wieder bei meiner Toilette zu landen, verbeißt sich ein Grinsen und steigt wieder aus. Das war´s. - Weiterfahren. So soll uns das allein heute noch zwei mal passieren!

Bahia de Los Angeles

Donnerstag, 18.11.2010

Cowboy-style

Weite Landschaften passieren wir, karge Wüstenlandschaft, ein paar Ansammlungen von Geschäften neben der Straße, dann wieder ewige Baustellen. Wir heben ein paar Pesos am Bankomat ab und müssen aufpassen, nicht überfahren zu werden. Als absolut hip gilt hier der Schnurrbart, an den Enden leger nach unten gekämmt, kombiniert mit lässigem Cowboyhut. Selbst beim Autofahren wird der nicht abgesetzt und so bleibt manchen nichts übrig, als die Kopfstütze abzubauen, um bequem sitzen zu können.

Kreuz und quer wird gefahren, ohne Rücksicht auf Verluste, LKW´ s überholen links und auch mal rechts, zwischendrin laufen Kinder über die Straße. Ein bisschen wie im Computergame – nur so real, verdammt! Wir tuckern weiter die Mex1 entlang, sehen Tafelberge vor uns, trockene Erde um uns herum, hineingestreute Felsen und baumhohe Kakteen zwischendrin. Natürliche Steingärten bei deren Anblick jeder Kaktus zuhause vor Scham rot anlaufen würde. Nach fünf Stunden erreichen wir unser heutiges Ziel, sehen das blaue Meer wie eine Fatamorgana zwischen all der braunen wüstenhaften Erde erscheinen; wir haben die Sea de Cortez erreicht. Gerade heute ist hier der Zwischenstopp der Baja 1000, einem Wüstenrennen und wir genießen die Ankunft der Teilnehmer an einem Straßenstand mit Taco de Pescado (für umgerechnet 1 Dollar) und Corona in der Hand.

SAN FRANCISQUITO + SAN IGNACIO
+ SANTA ROSALIA

Montag, 22.11.2010

bayerische wÜrstltortilla

Nach einem Strandtag in La Gringa (1,5 km vom Centrum entfernt) haben wir genug Sonne und Meerluft getankt, um weitere fünf Stunden im Auto zu sitzen und nach San Francisquito zu fahren. Ja, wir folgen der Race-Strecke offroad, sind mal wieder glücklich Vally zu haben und erreichen am späten Nachmittag die Bucht.

Ziemlich durchgerüttelt, fast wie auf dem Power Plate erreichen wir den minimini-Ort San Francisquito. Aber die Holperstraße war´s wert! Nun sind wir schon zwei Offroad-Fahrzeuge, denn an der Baja de los Angeles haben wir ein norwegisches Pärchen kennengelernt und sind nun gemeinsam unterwegs. Wir fahren zum Strand, finden einen guten Platz zum Übernachten, mit perfektem Meerblick. Als wir einen Spaziergang am Strand machen treffen wir Howard, der ein kleines Häuschen in der Bucht gemietet hat und werden sofort auf drei oder vier Tequilas eingeladen. So genießen wir den Abend auf seiner Terrasse, hören chilligen Sound von der Schallplatte, bekommen „Good-Luck-in-Mexico“-Armbänder geschenkt, die wir nun gemeinschaftlich tragen.

Nach ein paar Beef-Tortillas und noch mehr Tequilas gehen wir vor ins einzige Restaurant, in dem wir auch die einzigen Gäste sind. Die Gastgeber sind ein lustiges mexikanisches Pärchen, Kangoroo-Rats sausen durch die Küche, der „Flat-Screen“-TV ist ein normaler Röhrenfernseher, der einfach in die Wand zurückgesetzt wurde – sie wollten halt auch einen Flachbildfernseher haben! So wurde einfach eine neue Mauer eingezogen. Als ich die Toilette im Nebenhaus betrete, kommen mir zwei Kühe entgegen, die auch gerade ihr Geschäft im Klohaus getätigt haben, mann, bin ich erschrocken - Riesenviecher! Klopapier ist nicht so wichtig hier, umso wichtiger, dass man immer selbst welches dabei hat, und die Spülung - naja, da steht ein leerer Eimer, denn das Meer ist ja gleich um´s Eck... also erst mal laufen und Wasser holen. So ist Mexico. Wir wanken zurück zum Toyota, Muskelkater in Beinen und Armen und fallen ins Bett.

Tags darauf geht’s wieder ab auf die „Gravelroad“, wobei von Schotter kann hier nicht die Rede sein, alles andere als das. Sand und große Steine liegen vor uns und wir brauchen gute fünf Stunden, bis wir die MEX1 erreichen. Ab da ist es nur ein kurzes Stück bis zu unserem nächsten Schlafplatz kurz vor San Ignacio (70 Pesos – geteilt durch 16, und man hat die Eurozahl). Wir treffen ein Neuseeländisch/Australisches Pärchen und sind nun schon zu dritt unterwegs. So kreieren wir die bayerische Würsteltortilla, genießen Sol-Bier und die ägyptisch anmutende Szenerie, am grünen Fluß mit sich wiegenden Dattelpalmen. Am Campground „Las Palmas“ bleiben wir für 70 Pesos die Nacht.

Morgens schraubt Georg noch ein bisschen am Toyo, danach besichtigen wir die Kirche und Mission von San Ignacio, kaufen dort ein Kilo frisch in der Bäckerei hergestellte Tortillas für 26 Pesos, erledigen Einkäufe in Santa Rosalia (zwei pralle Tüten für 110 Pesos), bewundern die Kirche von Hern Eiffel (ja, derselbe Typ vom Turm in Paris) und fahren weiter nach Mulege, unserem heutigen Nachtplatz (100 Pesos). Tortillas für alle! Buen provecho!

PLAYA ESCONDIDO + LA PAZ

Samstag, 27.11.2010

wir grÜnden eine Karawane

20 Kilometer südlich von Mulege haben wir ein schönes Plätzchen zum Verbleiben gefunden, wir campen direkt am Strand, teilen uns eine Palapa (Hütte/ 70 Pesos) mit Tiffany und Jamie und gehen Schnorcheln. Wir treffen weitere Traveller und sind ab sofort mit vier Fahrzeugen unterwegs: die Schweitzer Isabel und Francesco fahren Lotti, einen knallorangen VW-Bus, Tiffany und Jamie (Australien/Neuseeland) steuern Betsy, einen metallicblauen Chevy-Van, die Norweger Malin und Espen sind noch mit „Namenlos“ unterwegs, und nicht nur Vally freut sich, so angenehme, gleichgesinnte und abenteuerlustige Gesellschaft gefunden zu haben.

Am Abend brutzeln wir am Juncalito-Strand über dem Lagerfeuer Schweinelendchen, Hühnchen und Fleischpflanzerl, jeder steuert etwas bei, wir haben Salat und selbstgemachte Guacamole, sowie die leckersten Veggie-Nudeln, die man sich vorstellen kann! Wir trinken Rotwein, quatschen und lachen, schnocheln im Wasser, braten uns selbst in der Sonne, beobachten Delfine, die jeden Abend püntklich um halb vier in der Bucht umherspringen, lesen Bücher – kurz: führen das perfekte Leben.

Nach zwei Strandtagen wird es Zeit, wieder einmal etwas Anspruchsvolleres und Nützlicheres zu tun, deshalb fahren wir nach La Paz, um die Angelegenheit mit der Fähre zu klären. Nach zwei Fahrtagen à 5 Stunden und zwei Übernachtungen an menschenleeren und kostenlosen Stränden erreichen wir die Stadt. Vorher benötigen wir das Banjercito, ein Dokument, um das Auto aus Mexiko zu exportieren. Direkt am Hafen können wir die Papiere ausfüllen, Kopien machen, alles ziemlich problemlos, danach holen wir Informationen bezüglich der Fähre ein und sind dreimal positiv überrascht: man spricht englisch (Überraschung Nr. 1), der Preis liegt bei 350 Euro pro Fahrzeug (Überraschung Nr.2). Wir können uns für die 12 Stunden Überfahrt jeweils zu viert eine Kabine teilen (Baja Ferries), die liegt dann bei 650 Pesos für alle (Überraschung Nr. 3). Das nächste Büro (TMC) offeriert ein noch günstigeres Angebot, allerdings ist man dort 16 Stunden ohne Kabine auf der Fähre unterwegs. Buchen kann man problemfrei einen Tag vor Abfahrt.
Wir entscheiden uns für die zweite Variante/ 3640 Pesos.

SAN LUCAS DE CABO
+ CABO PULMO + AGUA CALIENTE

Samstag, 27.11.2010

must be good

„Aaargh. Uh...Ist das komisch!“ - „Was ist das?“ Nach Shopping im örtlichen Supermercado - die Höflichkeit, Freundlichkeit und herzliche Art der Mexikaner im Vergleich zur durchschnitts deutschen Kassiererin, Angestellten oder Kundin sticht absolut heraus - sind wir nun wieder ausgestattet für weitere fünf Tage campen im Nirgendwo, oder wo auch immer zu bleiben uns der Sinn steht.

Wir fahren als schwarz-weiß-orange-blaue Karavane die Ostküste entlang, stoppen hier und da, gehen schnorcheln, immer noch auf der Suche nach unserem 5-Tages-Strand. Leider scheint immer eine Kleinigkeit nicht perfekt zu sein: entweder der Platz ist zwar gut, wir aber gerade „Essenslos“, sprich „Kühlschrankleer“ unterwegs, oder es sind zu viele andere Camper da, oder es gibt keine Toiletten oder es ist zu windig, oder oder oder. Ja, man wird pingelig. So fahren und fahren wir gen Süden, vor unserem inneren Auge das Bild vom Superstrand. Einem Tipp folgend machen wir uns auf nach „Agua Caliente“ im Landesinneren, cirka 30 Minuten von der Küste entfernt. Hier soll es eine Hot Spring geben, eine herrliche Naturquelle. Uns allen steht der Sinn nach heißer Badewanne, entspannend und verlockend. So zuckeln wir im Convoy in den Ort und werden schnell fündig.

50 Pesos kostet der Eintritt, campen inklusive. Wir finden einen Nachtplatz, am Ufer des Flußes und entdecken einen kniehohen Steinkreis darin. Wir waten darüber...und es ist heieieieißßßß! Direkt aus dem Berg sprudelt das kochende Naß heraus und erwärmt die natürliche Badewanne. Einmal drin findet jeder seinen Liegeplatz und wir strecken genüßlich die Beine aus...als wir etwas seltsames bemerken. Da schwimmt doch was, die Köpfe senken sich gleichzeitig und wir sehen klitzekleine Fischchen, die umherschwärmen, erst noch zwischen unseren Waden, dann – an unseren Waden, an den Zehen, an der Ferse, ah, das kitzelt, ah, was tun die da? Oh, das sind Fußfetischisten. Ui, die knabbern an uns, ei , das kribbelt, das piekst, ist komisch. Die Jungs dichten zeitgleich ihre Boxershorts ab. Die Fische knabbern und saugen an unseren Zehen und wir müssen lachen und kringeln und winden uns im Wasser. „Must be good“ - so unser einstimmiges Urteil bezüglich unserer Haut.


Am nächsten Tag haben wir alle rote Flecke am gesamten Körper –
da hilft nur noch Alkohol. Nein, nicht von außen...von innen

SANTA CRUZ DE LA ZACATITOS

Samstag, 04.12.2010

palapa und aaaauuus!

Auf unserer Suche nach dem perfekten Strand sind wir zwar noch nicht hundert Prozent fündig geworden, aber dem Glück dennoch ganz nahe gekommen. Bei Santa Cruz de la Zacatitos campen wir wild am Strand, gönnen uns Ruhe, schmökern etwas im Mexico-Reiseführer und spielen Beach-Volleyball.

Gar nicht so einfach, bei all den Palapas drumherum (Hütten und Sonnenschirme in Palmwedeloptik), immer wieder hüpft der Ball erst auf die Palapa und dann wieder zurück ins Spielfeld. Kurzerhand wird die Regel „Palapasprung ist gültig“ eingeführt. Unsere Gruppe ist nahezu schon eine kleine Familie geworden, wir fühlen uns rundherum wohl, diskutieren die nächsten Schritte demokratisch innerhalb des Kreises und freuen uns, dass wir uns gefunden haben. Wir schwimmen im Meer, geben dem Wort „Bodysurfing“ eine neue, wahrhafte Bedeutung indem wir wirklich unseren Körper zum Surfen benutzen, und lassen uns von großen Wellen wie Wale an den feinsandigen Strand spülen. Ach, ist das Leben schön!

Abends sammeln wir Holz, schaufeln ein Loch im Sand und bereiten uns ein wohliges Lagerfeuer. Gestern war Open-Air-Kino angesagt, mit funkelndem Sternenhimmel über uns und Tecate-Bier in der Hand. Heute abend ist Girl´s Night, was in etwa soviel wie zuhause bedeutet: Wein süffeln, ratschen, Nachos knabbern und dancen, Ipod auf volle Lautstärke, ist ja eh keiner da, der sich daran stören könnte – Spaß! Spaß! Spaß! Wir wollen gar nicht mehr auseinander gehen und beschließen einstimmig, nun auch gemeinsam zum Mainland Mexico überzusetzen. Die Girl´s Night gestern hat jedoch so arge Spuren hinterlassen, dass es heute mal nichts mit Volleyball wird.
Heute lieber unter die Palapa. Ohne Ball. Ablegen. Dösen. Hoffen auf Besserung. Innerliche.

CABO SAN LUCAS

Montag, 06.12.2010

die kleinen dinge

„Boah, das ist Luxus hier!“, schreien wir nahezu gleichzeitig, als wir den Campground „Vagabundos del Mar“ in Cabo san Lucas erblicken. Wir laufen in die Restrooms, sehen Duschen, Toiletten mit Spülung und Toilettenpapier, zudem noch blitzend und sauber! Nach den Tagen am Strand ohne sanitäre Anlagen - mit Spaten in der Hand und Krampf im Bein - freut sich jede Pore unseres Körpers!

Für $ 60 mieten wir uns zu Acht eine Palapa, kuscheln die Fahrzeuge eng aneinander und beenden den Abend mit Margheritas und Tacos an der Poolbar. Nun sind wir also am „Land´s End“, dem Südzipfel der Baja – und weil uns allen der Sinn danach steht, mieten wir uns für 50 Dollar/alle ein Glasbodenboot und lassen uns zum „Lover´s Beach“ kutschieren. Wieder zurück am Mainstrand testen wir die hießigen Alkoholika, kommen uns aber leider ein bisschen wir am Ballermann vor, darum laufen wir bald wieder zurück zum Campground. Nun steht nur noch Todos Santos auf dem Plan, vielleicht ein, zwei Strände dazwischen und dann heißt es: „Auf nach Mexico Festland!“ Am Mittwoch werden wir die Fähre nehmen, von La Paz aus 16 Stunden lang mit der TMC-Ferrie über das Meer cruisen und dann Mexico Festland erreichen.
Aber vorher noch schön die Verwöhntoilette nutzen: man stelle es sich vor: Papier da! Hinsetzen auf sauberstes Plastik! Türe zum Abschließen!
Die kleinen Dinge des Lebens!

MEXICO FESTLAND

Samstag, 11.12.2010

sayulitas 10-tages-feier

Die 16 Stunden Fährüberfahrt vergingen wie im Flug und in den Morgenstunden sehen wir vom Schiff aus Mexico Mainland, wie eine Fata Morgana erscheint in der Ferne blaues Land, je näher wir kommen erspähen wir üppiges Grün, Palmen und vorgelagerte Felsen über dem Meer erscheinen.

Ein bisschen kann ich nachfühlen, wie Columbus und die Entdecker früherer Zeiten sich fühlen mussten, als plötzlich nach ewigen Stunden voller Blau Land erscheint. Hurra, wir haben es geschafft! Schnell sind die Autos an Land gefahren und nach einem kurzen Militärcheck stehen wir auf mexikanischem Festland-Boden. Nach der trockenen, kargen Wüste der Baja fühle ich mich wie im wildesten Dschungel. Feuchte Luft, üppiges Grün, Vogelgezwitscher verschlingen uns sofort. Wir passieren verwucherte Landschaft, Bananenplantagen und sich endlos erstreckende Palmenhaine. Wir entscheiden uns dafür entlang der Pazifikküste nach Süden zu fahren. Einem Tipp folgend suchen wir uns in der Nähe der Barra de Navidad, in Sayulita einen Campground.

Diese Stadt zieht uns sofort in ihren Bann, der Spirit und die Atmosphäre sind fantastisch – junge Leute, Surferboys und Hippiebräute liegen am Strand, flanieren in der City, Silberschmuck und Armbänder werden angeboten, die Shops sind liebevoll dekoriert
.
Plötzlich erklingt In unseren Ohren fröhliche, fast lustige, unstrukturierte Blasmusik und bald darauf sehen wir eine Karawane von Menschen an uns vorbeiziehen. Es ist der „Dia de nuestra Senora de Guadalupe“- Festumzug, es ist der letzte Tag der 10-Tagesfeier, und das gesamte Umland hat sich hier versammelt, um die Heilige zu ehren. An der Spitze fährt ein Pickup mit der Heiligenstatue, direkt dahinter gehen die kleineren Mädchen, gefolgt von den Müttern, am Ende die Blaskapelle. In der Stadt ist die Hölle los, der Marktplatz leuchtet in sämtlichen Farben, die Straßen sind geschmückt mit Fahnen, Lichterketten und Bildern, Feuerwerke sprenkeln den Himmel. Stände mit Crepes, Tortillas, Margaritas an jeder Ecke, die Menschen tanzen zur Live-Musik – uns knallen fast die Ohren raus. Ein Spektakel an Fröhlichkeit, Temperament und guter Laune. So torkeln wir zu sechst durch die Innenstadt und lassen uns anstecken von all der Ausgelassenheit!

BOCA DE PASCUALES

Montag, 13.12.2010

unser tÄglich tortilla gib´ uns heute

„Bueans tardes, sernoras y senores, que quiere ustedes?“ - Huh, das ist ganz schön schwierig, die Auswahl fällt schwer. Wir sitzen im Strandrestaurant des „Rei de Pascuales“, unter der Palapa, die leichte Seebrise vermischt sich mit gebratenem Hühnchen-Duft und steigt uns lecker in die Nase.

Wir entscheiden uns für „Quesadillas de Pollo“ (Pesos 35), „Hamburguesa de Pescado“ (P 40), und zweimal „Tacos de Res“ (P 30) plus ein Mega-Corona (1,5 L- Flasche, P 30). Hundert knappe Strandmeter von uns entfernt brechen die sieben-Meter-Wellen tosend in sich zusammen und brodeln in schäumender Gischt ans Ufer. Nur die Mutigen unter den Surfern warten auf ihre perfekte Welle und tummeln sich paddelnd im Naß. Boca de Pascuales ist ein Geheimtipp für Surfer und der Hotspot neben Hawaii, der Ort wurde uns hinter vorgehaltener Hand ins Ohr geflüstert. Die hohen Wellen hier sind bekannt für´ s geliebte Tunnelsurfern. Nix für uns natürlich, steht der Surfkurs doch noch aus, aber selbst das Zuschauen macht riesigen Spaß und wir fiebern bei jeder guten Welle mit. So zergeht bei 30 Grad im Schatten, Reggae-Musik und Palmenrascheln die Quesadilla auf der Zunge
- „unser täglich Tortilla gib uns heute!“.

PALMA SOLA

Dienstag, 14.12.2010

tropical feeling

„Hard to give you advice! It´s the most beautiful coastline of Mexico, in my opinion - but the drug-kartells are fighting there like hell. The hole area is pretty dangerous. So - be careful“ - na toll, da wird uns in einem Satz von der Schönheit der kommenden Küstenlinie vorgeschwärmt und gleichzeit gewarnt, sie nicht anzusehen. Wir beratschlagen in der Gruppe, was wir tun. Die Tageszeitung klärt uns faktisch darüber auf, das sich der gesamte Staat Michoacan seit einigen Tagen im Drogenkrieg befindet.

Zwei Drogenkartelle kämpfen hier auf's Bitterste um Rechte, Vorherrschaft und Klienten mit allen Mitteln und Waffen, sogar Kinder wurden „aus Versehen“ erschossen, als sie „dazwischenkamen“. Die Staatspolizei hat sich dazugesellt, das Militär wurde aufgestockt – alles in allem kein Spaß. Doch die Küste wurde uns als üppig, besonders und menschenleer (warum wohl ;)) beschrieben und wir müssen sie unbedingt erleben. Also fahren wir weiter, wir sind uns einig die großen Städte auszulassen, nicht über Lazaro Cardenas zu fahren, unser eigentlicher Plan, um nach Mexico City zu kommen. Nur noch 100 Kilometer die Küstenlinie entlang, dann werden wir wohl wieder umkehren und einen anderen Weg nehmen. Gesagt, getan. Wir starten früh am Morgen, denn uns wurde geraten, nicht mehr nach 15 Uhr nachmittags zu fahren und werden mit ursrpüngllicher Naturschönheit belohnt. Auf gutes Glück folgen wir dem Schild „Palma Sola“, biegen rechts in die schmale Gravelroad ein – und sehen ein Stück vom Paradies!

Der weiße Sandstrand wird gesäumt von hellgrünen meterhohen Palmen, wir sammeln Kokosnüsse auf, dazwischen stehen einzelne Bananenpalmen, die Früchte hängen gelb, schwer und reif daran. Wellen schlagen an pittoresk aufragende Felsen, schäumen weiß auf, dazwischen rollen sie sanft ans feinsandige Ufer. „DA! Schaut mal!“ - unsere Köpfe drehen sich, dort hinten paddelt sich eine Riesenschildkröte an den Strand und weiter hinten im Meer sehen wir die Fontänen zweier Wale – kurz darauf erscheinen die Schwanzflossen der Giganten, handtellergroße blaue Schmetterlinge flattern durchs Bild, regenbogenfarbige Vögel zwitschern und gurren, vollenden das Tropical Feeling! Wir sind im Paradies!

MARUATA

Donnerstag, 16.12.2010

Spuren im sand

„Hier ist Eine!“ - der schwache Kegel der Scheinwerferlampe fällt auf ein quadratmetergroßes Loch. Es ist spät am Abend, nur das Mondlicht erhellt die Strandszene. Rechts von uns klatschen die Wellen ans Ufer, links beginnt nach 100 Metern Sand der dichte Dschungel. Beim Strandlauf am Nachmittag sind uns die noch frischen Spuren großer Schildkröten aufgefallen, wie ein massiver Reifenabdruck im weichen Sand.

Bei Mondschein und dunkler schützender Nacht lassen sich die Tiere von der Gischt anspülen, krabbeln mehrere Strandmeter auf der Suche nach einem sicheren Platz für ihr Nest und legen Eier. Keine 50 Gehmeter von unserem Nachtplatz in Maruata ist eine von ihnen gerade fertig mit der „Geburt“, hat das Loch schön zugebuddelt und kämpft sich nun aus der Mulde heraus. Gemächlich, aber stark ackert sie mit den massiven Schaufeln Richtung Meer. Links von ihr erscheint der Panzer einer Freundin in den Wellen, auch sie nimmt strikten Kurs auf den sandigen Hügel, kurz vorm Urwald verharrt sie, fängt an zu graben. Wir sind hingerissen und schweigen. Immer mehr Schildkröten kommen auf uns zugekrabbelt, ein einzigartiges Schauspiel der Natur.

„Hola! Que hacen! Alto!“- plötzlich blendet uns grelles Licht und keifender Sound, ein aufgeregter Mann läuft uns entgegen, schreit uns an, wedelt mit den Armen. Keine Ahnung, was. No comprendo. Irgendwie ist er ausser sich. Was hat er denn?

Atemlos steht er vor uns: „No, no, no!“ formen seine Lippen. Er legt los, irgendwann verstehen wir ihn auch und direkt dananach fühlen wir uns beschämt, stecken sofort Lampen und Fotoapparat weg: das Licht erschreckt die Turtles, erklärt uns Jorge, der Eierlegeprozess wird gestört! Doch wenn wir Schildkröten sehen wollen, könnten wir jetzt gleich mit ihm mitkommen und frisch geschlüpfte Junge sehen. Erst sind wir verwundert, dann erstaunt! Hoch hinter dem Hügel gehts über eine Türe durch hohen Maschendrahtzaun, hier dürfen wir die Lampen wieder anknipsen. In einer halbmetergroßen runden Zinnwanne wuselt es wie Ameisen, ich traue meinen Augen nicht: Hunderte von Babyschildkröten tummeln sich darin!

Wir stehen in einer Aufzuchtstation, Jorge beobachtet den Strand. Sobald eine Tortuga geboren hat und wieder im Meer verschwindet, gräbt er die tischtennisballgroßen Eier aus, bringt sie in Sicherheit und buddelt sie wieder ein. Nach sechs Wochen haben Sonne und Sand die Eier ausgebrütet und die Kleinen brechen die Schale auf. Gerade sind jede Menge Babies geschlüpft und bereit, ihr neues Leben im Wasser zu beginnen. Nicht nur dumme Touristen sind eine Gefahr, auch die Ortsansässigen: Schildkröteneier stehen seit jeher auf dem Delikatessenspeisezettel! Schwierig, hier Umweltschutz durchzusetzen, erklärt uns Jorge, während er nach den Kiddies schaut.

„Wer möchte eine ins Meer setzen?“, frägt er in die Runde. Die süßen Kleinen sind soweit, man kann es richtig sehen, von einem inneren Drang werden sie dazu geleitet, nur an die eine Seite der Wanne zu krabbeln, die in Meeresrichtung zeigt, Urinstinkt! Sie ackern schlagend gegen den Wannenrand. Sicher wie eine Kompassnadel. - Na, was eine Frage, natürlich möchten wir Welche in die Freiheit, ins Leben, ins Wasser setzen.

Schnell ist mein Liebling ausgesucht und auf Bobby getauft. Ich nehme sie hoch, die kleinen Schaufeln versuchen sich vorwärtszugraben, fühlen sich kitzelig an auf meiner Haut. Schon ganz schön stark die Kleine! Gut so! Ich trage sie zum rauschenden Ufer, Bobby wird immer unruhiger und schaufelt in meiner Hand drauflos. Vorsichtig setze ich sie auf den Boden, die letzten Meter muss sie alleine gehen, sie muss sich erinnern können. Und da fängt sie an zu graben, läuft behende und schnell der Gischt entgegen, wie ein Plastik-Aufzieh-Ninja ackert sie sich durch den Sand, krabbelt und schaufelt mit aller Kraft vorwärts, - meine Kleine! Da kommt das Wasser herangespült und nimmt sie mit...

„Süße! Ich wünsche Dir ein schönes, ein langes, ein aufregendes Leben“. Für ihre eigenen Jungen wird sie selbst wieder hierher an ihren Geburtstrand zurückkehren... im besten Fall die nächsten 200 Jahre lang!

Im hellen Mondschein sehe ich noch kurz ihren runden Panzer glitzern, dann verschwindet Bobby im unendlichen, weiten Meer...

ATOTONILCO

Sonntag, 19.12.2010

good roads, bad people,
bad Roads, good people

'Hay camping aqui?' 'NO. No. Solo comer y bralkda lala malarasa' – Mhmh. Also nein, nur essen und irgendwas, was ich nicht verstehe. Mann, die sprechen aber auch so schnell! Im Restaurant `Real de Campestre' meinten wir einen Übernachtungsplatz in der Tequila-Stadt Atotonilco gefunden zu haben. Doch trotz großem umzäunten Parkplatz wollen uns die Besitzer hier nicht übernachten lassen.

Wir sind etwas enttäuscht, haben wir doch immerhin schon zehn Stunden Fahrt von Maruata nach Guadalajara und dann hierher zurückgelegt, und unser Lonely Planet beschreibt uns Atotonilco als den „Tequila“-Verkostungsort überhaupt. Soll wohl noch ein Geheimtipp sein. JA! So geheim, dass es keine Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Doch immerhin haben die Besitzer vom Real de Campestre den Tipp gegeben, weitere zwanzig Minuten geradeaus gäbe es im Ort St. Elena einen verrückten Schweitzer mit Gourmet-Restaurant, der würde uns bestimmt im Hof übernachten lassen. Wir springen in die Autos, nur noch die Norweger und Schweizer dabei, die Zeit sitzt uns im Nacken, zeigt die Uhr doch schon sechs an, eine Stunde noch und wir fahren im Dunklen. Wir passieren einige Agavenfelder, holpern über widrigste Straßen und erreichen schließlich die Ortschaft. Nach den Straßen zu urteilen muss es uns hier gut gehen. Haben wir doch immer noch den Spruch der alten Dame aus San Franciscquito, Baja California, am „Arsch der Welt“ im Ohr: „Gute Straßen, schlechte Menschen,
schlechte Straßen, gute Menschen“.

Und wahrlich, am Ende des Waschbrett-Wegs erscheint ein hübscher kleiner Platz, Männer mit Sombreros, Schnurrbart und Cowboyhüten spielen Karten, Frauen reiben Mais vom Stengel, hängen farbenfrohe Wäsche über die Leine, Kinder spielen Ball. Hier fragen wir nach Charlie. „Si, si. Claro! Dort die Gasse hinein!“. Nach fünf Fahrminuten stehen wir im Hof von Charlie´ s Gourmet-Restaurant und sofort werden wir herzlich begrüßt. „Ja, servus!“, „Grüezi“ „Salut“ „Bienvenido“- alle Sprachen haut es uns um die Ohren und alle reden durcheinander. In einen bunten Haufen voller netter Menschen hat uns unser Ausflug gebracht, „Ja, halb Europa is ja jetztad da! Mir san aa aus München, also Minga. Also eigentlich. Jetzt samma da. So sagma amal zwischen drei Wocha und sechs Monat lang. Da Charlie is ja aus der Schweiz. Vor 23 Jahr is der ausg´wandert“, erklärt uns Thomas. „Da kummt er a scho!“ . So lädt uns Charlie auf ein paar Tequilas ein, wir essen die saftigsten, zartesten Steaks aller Zeiten, kosten vom hausgemachten geräucherten Schinken und bekommen leckeren Ziegenkäse kredenzt. Nach einem feuchtfröhlichen Tequila-Abend am Kamin steht der Termin für den nächsten Tag fest: Tequila-Verkostung bei 7Leguas.

Um Punkt elf Uhr werden wir von Berta vor dem 7Leguas-Shop in Empfang genommen. Hinter ihr her kurven wir kreuz und quer durch die Stadt zur Destillerie oben am Hang. Dort trauen wir unseren Augen nicht: ist das hier nur Show, oder werden die 1000 Liter Tequila täglich tatsächlich noch von zwei Maultieren kleingemahlen? Berta versichert es uns glaubwürdig, die Tiere gehen im Kreis und bewegen einen großen Mahlstein in der Mitte. So wird die vorher drei Tage gekochte Agave ausgepresst, bevor sie in die Behälter zur Fermentation kommt. Dort bleibt der Sud um die fünf Tage stehen, gärt vor sich hin, wird anschließend erhitzt, also destilliert – und dann abgefüllt. Nach der Führung durch die Destillerie werden wir in einen hübsch dekorierten Raum zur Verkostung geführt, vier Gläser und eine Flasche Wasser stehen für jeden auf einem Schulpult bereit. In den anschließenden zwei Stunden lernen wir von Fernando alles über Geschmack, Farbe und Lagerung des Tequila – und werden nebenbei ganz schön abgefüllt.

Wir arbeiten uns vom Tequila Blanco (wird sofort nach Herstellung auf den Markt gebracht, klar und frisch) über den Reposado (8 Monate im Eichenfass, fruchtige Erdbeernote dominiert) hin zum Anejo (24 Monate Eichenfasslagerung, caramell-Ton und schokoladiger Abgang). Zum Schluss reicht man uns den Extra Anejo, ein Tequila, der mindestens fünf Jahre im Fass gelagert wurde. Der weiche, vollmundige Geschmack überzeugt uns alle am besten und als jeder sein nun fünftes Glas Tequila pflichtbewußt geleert hat, kommt Fernando´s Bruder herein, in der Hand eine honigfarbene Flasche Klares, handbeschriftet steht darauf: „Single Barrique“ - eine Spezialität, die es noch gar nicht auf dem Markt zu kaufen gibt: ein sechs Jahre alter Tequila, im besonderen Behälter gereift!

Nachdem dann auch noch dieses Glas ausgetrunken war, werden wir mit teuren Geschenken entlassen (Fernando hat es sich nicht nehmen lassen, jedem Pärchen eine Flasche Extra Anejo für 1350 Pesos!! zu schenken). Fröhlich, angeheitert, ach was sag ich - völlig besoffen - fahren wir zurück durch die Stadt und kommen gerade noch rechtzeitig zur vorgezogenen Weihnachtsfeier mit typischem mexikanischem Büffet – und Tequila! Wir kosten Tortillas mit Kaktus, Bohnenmus, Kartoffelbrei und Schweinehaut. 'Feliz Navidad!'- Musik im Ohr, Karussell im Bauch und Nebel im Geist wanke ich nach 'Hause', den Hügel herunter zum Toyota und schwöre noch an der Agave nie, nie, aber auch wirklich niiieeee wieder Tequila zu trinken! Buenas Noches, mis amigos!

GUANAJUATO

Dienstag, 19.12.2010

die Spielzeugstadt

Wie bunte an den Hang geklebte Puppenstuben sehen die Häuser aus, als wir in Guanajuato einfahren. Die älteste und ehemals reichste Silberstadt Mexikos fordert uns mit ihrem anarchischen Straßen- und Gassengewirr heraus. Als wir den Campingplatz am Berg erreichen (75 P/Person), fühlen wir uns wie nach einer Geister- respektive Achterbahnfahrt und gratulieren uns gegenseitig zur Wahl unseres schmalen Fahrzeugs. Mit einem großen RV keine Chance! Wir erkunden die Stadt zu Fuß und werden sogleich in Beschlag genommen von der Quirligkeit der City, den pittoresken Häusern mit überhängenden Balkonen, eingequetschten Patios, labyrinthartigen Gässchen, Treppen und Durchgängen, Passagen und kopfsteingepflasterten Tunnel.

Gerade, als ich denke 'jetzt haben wir uns aber mächtig verirrt', stehen wir wieder einmal in einer wunderschönen, lauschigen Plaza mit einladenden Cafes und Restaurants. Also nicht schlimm, erst mal ein, zwei leuchtend gelbe Mango-Margaritas, dann schaut die Welt noch schöner aus. Diesmal sitzen wir am Plaza de San Fernando und können uns nicht sattsehen an all den Menschen, geschmückten Geschäften und duftenden Enchilladas. Von hier aus starten wir erneut, schnappen uns an einem der zahlreichen Touristenbuden eine gratis Straßenkarte und gehen nun strukturierter vor.

Wir laufen bei 27 Grad und knallender Sonne zum Plaza de la Paz, vor der orangeroten „Basilica de Nuestra Senora de Guanajuato“, dem Wahrzeichen der Stadt machen wir kurz Halt, gönnen uns einen Frappuccino. Danach besichtigen wir frisch gestärkt die reich geschmückte Kirche, halten vor Ehrfurcht inne und wandeln beseelt wieder hinaus ins bunte Treiben. Über die Straße „El Truco“ erreichen wir das 'Teatro de Juarez`, ein prächtiger neoklassizistischer Bau mit Säulen und den sechs griechischen Musen auf dem Dach des Vorbaus. Rechts und links der Treppe schmücken bronzene Löwen den Aufgang, wir wandeln der Eingangshalle entgegen. Drinnen eröffnet sich eines der schönsten historischen Theater, die ich jemals gesehen habe. Roter Samt dominiert im vierstöckigen Saal, güldene Ornamente lassen die Besucher königlich fühlen, die mit Samt bezogenen Sitze haben Holzlehnen, die altertümliche Atmosphäre zieht mich in ihren Bann. Ich könnte hier stundenlang sitzenbleiben und auf eine Vorführung warten. Leider nicht mehr heute. Denn auf dem Plan stehen neben der Stadtbesichtigung noch Geschenke kaufen für Weihnachten.

Ach ja, das steht ja auch vor der Tür. Hätte ich beinahe vergessen, bei 27 Grad, Sonne pur und Mexico im Allgemeinen – wäre da nicht überall „Feliz Navidad“-Gedudel, kitschig-glitzernde Bäume und Kinder mit Nikolaus-Mützen, die durch die Gassen laufen. Selbst das Krippenspiel sieht bei brennender Sonne einfach so ganz anders aus als im Schnee, oder zumindest Graupelgraulicht zuhause.

Ab zum Markt. Ein Markt im Markt! In einer riesengroßen Halle wird auf zwei Fluren in hunderten von Geschäften so ziemlich alles verkauft, was man sich vorstellen kann: Lebensmittel, Krimsch-Kramsch und Nippes, Klamotten, Tiere – einfach alles! Hier finden wir ein paar Geschenke! Puh - wär die Hälfte ja schon mal geschafft. Wieder raus in die trockene Hitze Guanajuatos! Mit ihren zwei Universitäten hat die City ein ziemlich junges Durchschnittsalter und wir genießen die Stimmung am `Plaza de la Paz` sehr. Nach einem `Hamburguesa de Res`, man sieht, wir fressen uns hier durch, sind wir wieder fit für das `Museo Casa Diego Rivera`, des Meisters Geburtshaus. Die 30 Pesos Eintritt bereuen wir nicht, denn es gibt sowohl damaliges Interieur des Hauses, wie Schlaf- , Ess- und Kinderzimmer von Diego zu sehen, sowie in den oberen Stockwerken Arbeiten aus jeder Schaffensperiode. Skizzen, Malereien, Federzeichnungen und auch Lithografien sind ausgestellt, nebenbei wird Diego´s Leben in kurzen Zügen erläutert, Fotografien und Texte machen das Spektrum komplett.

Nach so viel Kultur für den Geist muss ich meinem Körper aber auch noch ein kleines Geschenkchen machen – wie könnte ich die Stadt des Silbers ohne ebensolchen Schmuck wieder verlassen? - Eben!

SAN MIGUEL DE ALLENDE

Dienstag, 23.12.2010

feliz navidad

Nach weiteren fünf Stunden Autofahrt erreichen wir San Miguel de Allende und sind begeistert von der atmosphärischen Künstlerstadt: dutzende von Galerien reihen sich aneinander, stilvolle Restaurants und liebevoll dekorierte Café's mit floral bewachsenen Patios laden zum Verweilen ein.

Nach einem Stadtrundgang, von unserem Campground in der Calle de San Antonio aus, über das Insituto Allende in fünf Minuten rein ins Centro - schmale Gässchen und kleine Läden machen das Vorankommen schwierig - zur wunderschönen, rosaroten Parroquia de San Miguel Arcangel, haben wir unser Restaurant für den Heiligen Abend gefunden. Im La Felguera genießen wir den Innenhof mit rostroten Rundbögen, weißen Sonnenschirmchen, dekorativem Springbrunnen und wuchernden Orangenbäumen und dinieren auf stilvoll gedecktem Tisch. Einige Margaritas, Vino Tinto und Steak-Fajjitas später verlassen wir mit vollem Magen und guter Stimmung das Restaurant, schauen noch kurz in der Kirche vorbei, anschließend folgt die Bescherung. Weil keiner morgen fahren kann, der Alkohol-Gehalt im Blut ist einfach zu hoch, entscheiden wir uns dafür, noch einen weiteren Katertag hier zu bleiben und erst am 26. weiter nach Teotihuacán, zu den berühmten Ruinen weiterzufahren. Feliz Navidad! - das etwas andere Weihnachten...

MEXICO CITY

Dienstag, 28.12.2010

kultur, shopping und
langweilige gringos

Ich blicke auf ein Meer aus Beton, grauen Häusermassen, ein Wirrwarr aus Straßen, Menschen und Autos, weiter in der Ferne spitzen Popocatepetl und Iztaccihuatl durch die Wolken hervor. Wir haben Glück, denn der Smog läßt heute ausnahmsweise eine relativ gute Sicht zu. Wir stehen auf dem 42. Stockwerk des Torre Latino Americano, einer Aussichtsplattform im Herzen Mexico Citys.

Den Toyota haben wir auf einem sicheren Campground in der Nähe Teotihuacans abstellt und sind mit dem Bus für schlappe 25 Pesos pro Person in einer guten Stunde in die Stadt gefahren. Zum Glück – selbst der Busfahrer hatte seine Mühe, Unfälle zu vermeiden, die Autos rasen im Ein-Zentimeter-Abstand an uns vorbei und das bei 80 km/h! Am Insurgentes Norte steigen wir aus, nehmen erst die Metrolinie 1 Richtung Pantitlan, steigen bei La Raza um in die 3 Richtung Universidad (3 P) und sind schon am Hidalgo, wenige Gehminuten vor unserem, per Internet gebuchten Hotel Fontan angekommen (80$/3Nächte).

Von dort aus starten wir in die City, sind hingerissen von der pulsierenden Metropole, dem Centro Historico, Gebäuden in Kolonialarchitektur, dem wundervollen Palacio de Bellas Artes und kämpfen uns mit 25 Mio. Einwohnern, die alle in der Stadt zu sein scheinen, durch zum Zocalo. Dort wollen natürlich auch alle 25 Mio. auf´s Klo – wie ich auch, ein schlechtes Timing. Wir bestaunen den Templo Mayor, eine alte Azteken-Ruine (ältester Pyramidenrest stammt aus dem Jahr 1390), die entdeckt wurde, als man 1978 Aushubarbeiten für die Metro begann. Der Sensationsfund war dabei die mächtige runde Steinscheibe mit dem Abbild der Mondgöttin Coyolxauhqui, die auf dem Fuße der Treppe der Tempelruine gefunden wurde. Nach einer kurzen Besichtigung der größten Kathedrale des amerikanischen Kontinents, der Catedral Metropolitana, die die gesamte Nordseite des Zocalo beherrscht, kehren wir zurück ins Hotel.

Am nächsten Tag fahren wir zum Frida Kahlo Museum, ihrem sehenswerten Geburtshaus in Coyoacan. Ich bin erstaunt von der Größe der Villa, mehrere Gebäude schließen sich zu einem Einzigen zusammen, im Mittelpunkt der prächtige Garten, es gibt Originalbilder wie ihr berühmtes letztes Gemälde „Viva la Vida“ zu sehen, Bleistiftskizzen, Vorarbeiten, aber auch Malutensilien, Fotografien. Die Casa Azul ist noch original eingerichtet, man bekommt einen guten Eindruck ihres Lebens, die Räume sind authentisch, am Anfang steht der von Diego entworfene Kamin, weiter geht’s durch die Küche, dort stehen die Keramiktassen mit den Aufschriften „Diego“ und „ Frida“ , über eine Treppe gelangt man anschließend ins Atelier, mit dem Rollstuhl Frida´s, der Staffelei und Paletten voller Farbe, in den Vitrinen Kunstbände und Literatur. Am Ende des oberen Stockwerks steht ihr Bett mit dem berühmten Spiegel an der Decke, daneben eines ihrer Korsette.

Über eine Steintreppe erreicht man wieder den Garten mit üppiger Bepflanzung, eingegrenzt vom Indigoblau des Hauses. Nach einem Latte Macchiato im dortigen Cafe machen wir uns auf den Weg zur Plaza Hidalgo, ein Künstlerviertel mit dem bekannten Coyote-Brunnen, schnappen uns ein Sandwich in der Panaderia und bewegen uns per Techno-Bus mit 180 Dezibel und den neuesten Dancefloorhits im Ohr nach Xochimilco.
Dort wollen wir die Kanäle mit den schwimmenden Gärten bewundern.
Sie sind ein Überbleibsel der Wasserkultur Tenochtitlans. Die Azteken legten einst über den riesigen Texcoco-See mit Erde bedeckte Holz- und Weidenflösse, um darauf Getreide und Gemüse anzubauen. Die Pflanzen schlugen Wurzeln und es bildete sich ein Kanalystem, das heute noch genutzt wird. Wir staunen nicht schlecht, als wir so etwas wie das mexikanische Venedig erblicken. Heute am Feiertag scheint halb Mexiko Familienfeste auf den bunten Trajineras zu feiern, es gibt Stau auf dem Kanal! Mariachi fahren mit eigenen Gondeln nebenan, binden sich fest, um die musikalische Unterstützung zu gewährleisten, zwischendrin werden von vorbeituckernden Händlern Empenadas, Softdrinks und Coronas verkauft – das erinnert an Dult auf dem Kanal! Irgendwie sind wir das einzige langweilige Gringo-Boot, ohne Bier, ohne Musik und ohne Kinder. Boring!

Mittwochs steht schon wieder Kultur auf dem Kalender: El Museo Nacional de Antropologia. Ein sagenhaftes Museum, in dem man locker einen gesamten Tag damit verbringen kann, die Geschichte und Kultur Mittel- und Südamerikas zu studieren. Wir staunen über Tolteken-Kunst, Aztekenbräuche und Mayarituale. Und endlich, endlich weiß ich nun, wieso alle Männer dem Fußball so verfallen sind, ja, ich bekomme ein tiefes Verständnis für Soccer-Manie – haben doch schon die Tolteken, mit einem gummiartigen Ball um die Ehre, die Führerschaft und das Leben gespielt!

Anschließend stürzen wir uns nochmals in das Getümmel der Innenstadt und genießen das Stadtleben. Abends gehen wir aus im
In-Viertel Condesa, eine Freundin Francescos studiert hier Design und schleppt uns in die hippsten Läden. Wir sind begeistert von stylishen Cafe`s, dinnieren im Organic-Restaurant, nehmen in mehreren Bars ein paar Sol zuviel und wanken um 23 Uhr müde in die Metro. Selbst um diese Uhrzeit ist noch eine Menge in der U-Bahn und auf den Straßen los, Kinder laufen herum und die Metro-Jungs haben alles im Bauchladen dabei, was man sich nur vorstellen kann.

Sehr beeindruckend ist allerdings auch das Polizeiaufgebot, an jeder Ecke, jeder Straße, jeder Metro-Haltestelle stehen zwei bis zwanzig bis an die Zähne bewaffnete Polizisten – alles, um Mexiko sicherer und touristenfreundlicher zu machen. Und es gelingt: kein einziges Mal kommen wir in eine auch nur annähernd prekäre Situation.

Der letzte Tag Mexikos steht ganz im Zeichen von shopping, yeah... Wie hab ich mich drauf gefreut! Ich brauche ja so viel:
Neue Jeans (nach Dauerstrapazen haben nun alle meine Hosen wahrhaftigen Used-Look, leider an den falschen Stellen), neue Sonnenbrille (meine alte liegt irgendwo am Strand von Cabo San Lucas) neues T-Shirt (dank der US-Waschmaschinen und Dryer besitze ich nun fast ausschließlich Size-Zero-Klamotten)!
Im Hotel angekommen bin ich dann aber mit: neuer Campinglampe, Wasserkocher, Campingstuhl und Socken! Bah, langweilig!
Aber alles Andere, will-haben-mäßige war nicht aufzutreiben, hat nicht gepasst oder bescheuert ausgesehen.

Naja, setze ich mich jetzt eben in den neuen Stuhl, sitze das Loch in der Jeans einfach aus und stehe nur noch in der Dunkelheit der Nacht auf.

TEOTIHUACAN

Freitag, 30.12.2010

die heimat der gÖtter

„Als es noch Nacht war, ehe es Tag wurde, ehe es Licht wurde, trafen sie sich, die Götter trafen sich – dort in Teotihuacan“ (Gedicht aus dem Codex Florentinus). Das bedeutendste Kulturzentrum und die größte Stadt des alten Amerikas (geschätzte 200.000 Bewohner zur Blütezeit zwischen 200 bis 500 n.Chr.) liegt ca. 50 km nordöstlich von Mexico Stadt im Estado de Mexico

Nun stehe ich etwas kurzatming, jedoch völlig fasziniert von den Dimensionen der Kultstätte (4 qkm im Inneren) auf der Piramide de la Luna und blicke über die „Straße der Toten“, der Hauptachse Teotihuacans hinüber zur gewaltigen Piramide del Sol. Dahinter erheben sich kahle Berge, säumen die UNESCO-Weltkultur-Stadt im trockenen Hochland auf 2200m Höhe ein. Gründungszeit der Pyramidenstadt war vermutlich 100 v.Chr., als die Azteken um 1250 in Anahuac ankamen, war die Stadt schon mindestens 500 Jahre verlassen und auch teilweise zerstört. Sie jedoch erhoben Teotihuacan aufgrund der gigantischen Bauten erneut zur Kultstätte und schufen den Mythos der Entstehung ihrer Götter.

Nach ihrem Glauben hatten sich zwei Götter durch ihr Selbstopfer in die Himmelskörper Mond und Sonne verwandelt, und dadurch die Menschen erschaffen – deshalb Piramide de la Luna und Piramide del Sol. Während ich durch die Wege schlendere, vorbei an Steinkunst und Tempelbauten sehe ich antike Wandmalereien, restaurierte Bilder von Tigern, Jaguaren, Schmetterlingen, ornamentale Blüten. Ich gehe in einen unterirdischen, ausgehobenen Tunnel, bewundere weitere Bilder, hier wurden auch Opferrituale, Dämonen und Szenen aus dem Alltagsleben künstlerisch ausgedrückt.

Ich fühle mich wie Klein-Indiana-Jones und kann es gar nicht erwarten, die nächsten Tempelruinen der Mayas im Urwald Mexikos, in der schwülen Hitze Palenques zu erkunden. Vielleicht muss ich dort auch mal kleine Seitenwege einschlagen, meine Machete und Campinglampe in der Hand, an einem alten Steinrad drehen und sehen, was so draus wird... Wo ist der heilige Grahl?

PICO DE ORIZABA

Dienstag, 04.01.2011

kater vom feinsten
- und das ohne alkohol, frechheit!

Mitten in der Nacht werde ich wach. Mir ist ganz mulmig zumute. Und so schwindelig. Mein Bauch rumort... und da muss ich laufen. In dieser saukalten, minus 10 Grad-Nacht werde ich mich noch weitere drei Mal übergeben müssen, mein Gehirn wird sich dabei anfühlen, wie von einem Schraubstock umklammert, meine Schläfen werden zum Zerbersten pochen und ich werde mir sitzend am Boden des Wagens wünschen, einfach nur schlafen zu können.

Wir befinden uns auf 4200 Metern Höhe und wollten, nach dem Abschied von den Schweizern, mit Marlin und Espen den Orizaba erklimmen, den höchsten Berg von Mexico. Zuvor waren wir im Ort, bei „Summit Orizaba“, einem Tourveranstalter für den Berg, Ratschläge einholen. Danach eine Stunde die unwegsame Straße hinauf, bis die wiederum in einem rumpeligen Weg endet, den wir dank unserer Toyotas in einer weiteren Stunde bis zum Basis-Camp fahren. Dort wollen wir die Nacht verbringen, uns akklimatisieren und auf die Tour übermorgen vorbereiten, nach einem Ruhetag in dieser Höhe. Doch leider sind wir zu schnell in diese Altitüde gekommen, schon bei den letzten 500 Höhenmetern bekomme ich rasende Kopfschmerzen. Ich trinke also viel Wasser, lege mich schlafen und hoffe das Beste. Aber nichts zu machen. Nach dieser fürchterlichen, erbarmungslosen, nie enden wollenden Horror-Nacht voller Schwindel, Migräneattaken, Bauchkrämpfen, Schütteln und Übergeben will und muss ich sofort wieder nach unten. Espen, alter Höhenwanderungsführer meint, das ist gar nicht so ungewöhnlich, wir sind zu schnell heraufgefahren, dennoch müsste ich jetzt sofort diese Höhe verlassen, mein Hirn hat sich zu schnell zu stark ausgedehnt, nicht dass es zu einem Ödem kommt; selbst er spüre das Blut in seinem Kopf pulsieren und werde sich heute nur ruhend verhalten.

Wie ein Kater vom Feinsten, so fühlt es sich an, die Höhenkrankheit. Nun weiß ich das auch.

PALENQUE

Mittwoch, 05.01.2011

Alles tempel oder was?

Ich schlage dic Augen auf. Mein Herz schlägt laut. Meine Ohren sind gespitzt...träume ich noch? Ich reibe mir die Lider... - Nein! Da ist es wieder! KCHOOAACHCHCH... – Stille... danach das Übliche, also Vogelgezwitscher...sanftes uhuhuh...ohoh... wuuhp... wuuhp...whupwup - aber dann...irre lautes KCHOOAACHCHCH!

Was zur Hölle ist das für ein Geräusch? Mein Hirn arbeitet, verdammt, bin doch noch so müde, also gut, starte Identifizierung: Blattbewegungen, hier ein Specht, dort ´ne Eule, Rascheln, Klopfen, Zwitschern, Hämmern, alles klar – aber KCHHOAACH? Richtig lautes, durchdringendes KCHOOAACHCH!! - Scheiße, ist das nah. Das geht durch Mark und Bein. Mein Gehirn spuckt dazu im Moment leider nur ein trübes Fragezeichen aus. Verdammt! Der ohrenbetäubende Lärm tönt vom genau zwei winzige Meter entfernten Urwald heraus.

Gestern Abend erreichten wir Palenque, feuchttropisches Klima, drückende Hitze, sieben Stunden Autofahrt über Topes (Hügel in der Straße zur Geschwindigkeitsregulierung) und Vibradores (dasselbe, nur in Klein) steckten uns in den Knochen, sodass wir uns sofort schlafen legten. Nach einer etwas verschwitzen, schwülen Nacht am Dschungelrand bin ich nun hellwach. Mein Herz pocht. Da ist es wieder. KCHOOAACHCHCH.

KCHOOAACHCHCH! - Das müssen riesengroße Tiere sein. Jaguar? Tiger? Gepard? Gibt’s das hier? Ich gehe in Gedanken so ziemlich jedes große, furchteinflößende Tier durch, das mir einfällt und hierher passen könnte. Hilft nichts. Ich muss das wissen. Jetzt. Wecke Georg auf. „Hörst du das?“ „Mhm? Was? Was ist denn?“ - Oh, Mann... da kann der jetzt schlafen? Ich fasse es nicht. „Hör doch mal!“ Auf den Punkt genau kommt das nächste heftige, laute Geräusch. KCHOOAACHCHCH. Und wird sogleich wiederholt.

„Ja, das hört sich nach großem Tier an“, meint Schatzi lakonisch und für meinen Geschmack etwas zu entspannt. - "Ach, wirklich?! - Ja, klar, ich glaub auch das ist was Großes! Komm, wir müssen nachschauen!", insistiere ich. Sollten es wirklich große, hungrige, schlimme Menschenfresser sein, hätte schon die Kommune oben am Berg dran glauben müssen. Ganz bestimmt. Die schlafen mit ihren Babies in der offenen Hängematte. Zarte Babies. Schnell ist der Reiseführer aufgeschlagen, doch da drin steht nichts über gefährliche Tiere in der Gegend. Also gut, raus aus den Federn, Bärenspray zur Sicherheit und Fernglas für die Neugier eingesteckt und ab in den Regenwald.

Mystisch, wie das Morgenlicht durch den dichten Dschungel fällt, Nebelschwaden hängen in der Luft, wirken wie Porno-Weichzeichner
auf der Linse, einzelne Blätter werden von weißen Spots bestrahlt, glänzende Lianen hängen weit herab, üppiges Grün, soweit das Auge reicht. Ein Vorankommen ist schwer, jeder Schritt wird von knackenden Ästen, nasser Erde, leichten Rutschgeräuschen begleitet. Oben in den Ästen herrscht reges Treiben, Baumkronen wackeln, Blätter fallen herab, am Boden wuselt es. Leben überall. Wir mittendrin.

Über uns KCHOOAACHCHCH. - Sofort sehen wir hoch, so schnell, dass es gerade mal so keinen zweiten Bandscheiben-Vorfall gibt. Kopf in den Nacken, Augen nach oben. Zoom. Schwenk nach rechts. DA! Ich kann ihn sehen! Das ist, das ist...ein Affe. Nein, mehr ein Äffchen – ein klitzekleiner Brüllaffe. KCHOOAACHCHCH, da schreit er schon wieder. Bläht seinen Kiefer auf, bläst die Luft hinein, da kommt der Ton. Irre laut. Das muss ein Männchen sein. Immer schön das Maul aufreissen. Reviermarkierung. Überall dasselbe. Da sind noch mehr - und sie springen von Ast zu Ast, von Baum zu Baum, spielen, hüpfen mit Leichtigkeit durch die Lüfte. Mit offenem Mund stehen wir da, schauen voller Bewunderung über die Natur zu, sehen zum ersten Mal in unserem Leben Affen in freier Wildbahn. Wunderschön und faszinierend zugleich, wir können es kaum glauben, stehen still und berührt an Ort und Stelle – solange, bis unser Rücken schmerzt.

Etwas später machen wir uns auf, die wohl schönsten Tempelanlagen Mexicos zu erkunden. Vorher sprechen wir noch mit Veronika, einer bunt gekleideten Hippie-Variante von Uschi Obermaier, seit acht Jahren schon zieht sie umher. Aus Oberammergau stammend, in München pubertierend und in Guatemala gebährend, kam sie nach Mexico – mit nun dreijährigem Sohn. Als wir ihr erzählen, wir wollen zu den Ruinen, zieht sie die buschigen Augenbrauen unter dem lilafarbenen Paisley-Muster-Haarband hoch, ein Mundwinkel zeigt steil bergab, das gepiercte Nasenloch zittert leicht und in monotonem, nuschelndem Stimmfall sagt sie verächtlich mit leicht brüchiger Stimme: „Wisst ihr, wir sagen hier TEMPEL dazu!! Ihr müsst das spüren, nicht sehen. Das ist ganz wichtig. Wenn ihr das könnt. Ich mein, wenn ihr versteht, was ich sage.“

Also gut, gehen wir eben zu den TEMPELN. Aber mussten die nicht auch wo wohnen? Und sind dann alle Gebäude der alten Stadt TEMPEL? Keine Häuser, keine Versammlungsräumlichkeiten, kein Wohnzimmer, keine Küche, kein Schlafzimmer, kein Klo? Alles TEMPEL?

Egal, wir gehen also zu den TEMPELN, und staunen nicht schlecht: zwar ist sie weder die Älteste und auch nicht die Größte aller Maya-Städte, aber dennoch wegen der bildhübschen und lautstarken tropischen Kulisse (auch hier treiben sich die Brüllaffen herum) und ihrer architektonischen Harmonie eine Schönheit. Nach Besichtigung des Museums und des originalen Grabes des Herrschers König Pacal spazieren wir die Straße entlang zu den Anlagen. Durch ein kurzes Waldstück, mitten im Urwald gelangen wir zu den ersten moosbewachsenen Ruinen. Alle TEMPEL Palenques waren einst rot und blau bemalt, mit wunderschönen Stuckarbeiten, Verzierungen und Inschriften versehen, und man kann es sich bildlich vorstellen, wie bezaubernd das zusammen mit dem üppig-saftigen Grün des Dschungels und dem Azurblau des Himmels gewirkt haben muss.

Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, hier umherzustreifen, mitten im Urwald, zwischen meterhohen Bäumen, umrankt von massiven Schlingpflanzen, alle Formen und Größen an Blättern springen uns ins Auge, dichter Nebel macht das Atmen schwer, läßt nur wenig Tageslicht auf den Boden fallen. Und plötzlich, wir steigen die Treppen hinauf, eröffnet sich uns die ganze Pracht der Anlage: harmonisch und aufgeräumt, perfekt geplant und filmschön stehen sie vor uns: Die Pyramide El Palacio und der Templo de las Inscriptiones, Pacal´s Grabtempel.

Wir betrachten die Reste wunderbarer Kunstwerke, die proportionierten Skulpturen, Steinplatten und Tableaus. Plastizität, Kreativität und Detailreichtum!

Gibt’s da jetzt wo eine Scheibe zu drehen, einen Knubbel zu drücken? Hätte es ja echt versucht, aber den heiligen Gral hab ich verdammt noch mal nicht gefunden.

CALAKMUL

Mittwoch, 05.01.2011

der schnorrende pedro

Von Palenque aus düsen wir sechs Stunden auf der MEX 186 Calakmul entgegen. Dieser Maya-Stadtstaat war einst – zusammen mit Tikal in Guatemala – das mächtigste, größte und bedeutendste Maya-Machtzentrum überhaupt. Aus diesem Grund wollen wir es unbedingt sehen, freuen uns auf das 25qkm große Areal, auf dem über 6000 Bauten und Strukturen gefunden und restauriert wurden. So betriebsam waren die Mayas hier!

Nicht, dass ich es mir romantisch vorstelle, wie die mächtigen Herrschergräber und Pyramiden gebaut wurden, die armen Sklaven mussten wieder mal herhalten (genauso wie für die Menschen-Opfergaben, die hier praktiziert wurden und von priesterlicher Hand durchgeführt). Gegen fünf Uhr abends kommen wir am Parkplatz des Besucher-zentrums an, davor wartet Pedro. Zahnlos, aber fröhlich sitzt er auf einem gelben Plastikstuhl und weist uns – glücklich über Kundschaft – an, auf das Parkinglot zu fahren. Da es schon abends ist, dürfen wir nicht mehr die fehlenden 40 Km bis zu der Anlage fahren, aber übernachten könnten wir hier, no problema.

Ob wir vielleicht Wasser hätten, fragt er. Klar, kann er haben, in der Mittelkonsole liegt noch ein verschlossenes 0,5L-Flascherl, ich reiche es ihm rüber. „Quieres mas aqua?“, will er vielleicht noch mehr Wasser? „No. no.“, meint er, vielleicht „manana“, morgen. So stellen wir unseren Toyota ab, erkunden ein wenig die Gegend, laufen vor zum unvollendeten Besucherzentrum und machen es uns bequem. Wir nehmen den Reise-Know-How-Führer zur Hand und holen noch ein paar Kultur-Infos ein:

„Die Maya, die bedeutsame Hochkultur Mesoamerikas sind ein einzigartiges und faszinierendes Volk. Das ausgedehnte Siedlungsgebiet der Maya zwischen Karibik und Pazifik war kein einheitlicher Staat, sondern eine kutlurelle Hegmonie mit einer einheitlichen Sprache, die auf politisch autonomen, weit auseinanderliegenden Städten und Stadtstaaten basierte...Die archaischen Maya hatten eine polytheistische Religion...von Anfang an war es die Idee einer zyklischen Schöpfung und Zerstörung der Welt und die Geschichte einer engen Schicksalsgemeinschaft zwischen Menschen und Göttern. Um ihre Gunst zu erlangen, um sie gnädig zu stimmen, mussten den Göttern Opfer gebracht werden, diese wurden auf den Pyramiden und Zeremonialplätzen von den Priestern in Form von Kulthandlungen zelebriert...Die Götter hatten die Welt mehrmals zerstört, bevor sie schließlich die ersten Menschen aus Maismasse erschufen. (festgehalten im Popol Vuh, Buch des Rates der Quiché Maya). Ihr schamanistisches Weltmodell basiert auf dem Urbild eines mehrschichtigen Universums mit Oberwelt (Weltall), Mittelwelt (Erde) und Unterwelt (Xibalba)...An der Spitze der Gesellschaftspyramide stand der König des Stadtstaates, der halach uinic ("wahrer Mann"), der die Götter auf der Erde repräsentierte bzw. der seine Abstammung von den Göttern ableitete...Die Maya führten über alles mögliche Buch...meißelten ihre Glyphenbotschaften in Wände, Treppenstufen und Türsturze...nur die Priester konnten die äußerst komplizierte Schrift und Zeichen und Symbolen deuten, denn sie basiert nicht auf einem Alphabet, sondern ist eine Mischung von ideographischen (Bild-) und phonetischen (Laut-) Zeichen..Die Maya hatten zwei Kalendersysteme, den Sonnenkalender Haab und den Ritualkalender Tzolkin. Haab umfasste 360 Tage, unterteilt in 18 Monate zu je 20 Tagen plus einem Kurzmonat von 5 Tagen. Der Tzolkin-Kalender zählte nur 260 Tage..."

Ich blättere weiter zum Kapitel Calakmul und finde:

„Im Jahr 562 besiegte Calakmul den Rivalen Tikal und stieg nun für über 130 Jahre zu beherrschenden Supermacht der Region auf. Auch Palenque, das mit Tikal verbündet war, wurde von Chalakmul angegriffen. Unter König Yuknoom des Großen erreichte Calakmul dann seine größte Machtausdehnung. Es war jedoch am Ende Tikal, das Calakmul 695 endgültig besiegte – ein Schlüsselereignis in der Geschichte des Tieflands, denn danach begann der Zerfall der gesamten politischen Systeme und Ordnungen und letztendlich die Aufgabe aller Maya-Städte im Tiefland.

und weiter unten steht:
Keinesfalls auslassen: Den Aufstieg auf die 45m hohe Pyramide Estructura II an der Gran Plaza, dort wurde das Grab des Sohnes
des Herrschers Yuknoom gefunden. Oben geht es weiter auf die dahinterliegende Pyramide, mit 53m die höchste Calakmuls und nach Tikal (65m) die zweithöchste der Maya-Welt
.“

Aha.

Am nächsten Tag stehen wir also früh auf, verlassen den Parkplatz, treffen nochmals Pedro, der nun nach „Cigarros“ verlangt, Wasser bräuchte er heute noch nicht, und fahren im Dschungeltunnel den unvergleichlichen Pyramiden, äh, TEMPELN entgegen.
Calakmul ist die am wenigsten besuchte Tempelanlage hier in Mexico, und bald wissen wir auch, warum. Nicht nur, dass sie geografisch völlig ab vom Schuss liegt (hätte man nur den 2-Wochen-Urlaub würde man nie zwei Tage Anreise auf sich nehmen), nein, auch die Straße ist nicht gerade besucherfreundlich. Nach weiteren 40 km haben wir es nun endlich geschafft und stehen vor dem Eingang. Doch was ist das? Obwohl erst 8.00 frühmorgens steht da schon ein kleiner Touri-Bus, aus dem gerade drei Pärchen aussteigen. Der mexikanische Reiseführer, mit langem dunklem Haar, rotem T-Shirt mit Mexico-Flagge und obligatorischem Schnurrbart schaart gerade die kleine Gruppe um sich, als ich von der Seite hochdeutsch angesprochen werde: „Guten Morgen. Wo seid ihr denn her? Deutschland, oder? Aber woher genau?“ „Aus Bayern“, sage ich – da steht schon der einheimische Gruppenführer daneben und belehrt seine Gruppe „In Bayern heißt des Grüaß Gott. Net Gutn Morgen! Gell, a soo is!“
.
Wir müssen ein Lachen unterdrücken, quatschen ein wenig mit Louise, Manfred und Co., allesamt aus dem hohen Norden, auf fast-zwei-wöchiger-Marathon-Mission in Mexico. Der DIN A-4-Plan verspricht der höchst ambitionierten Reisegruppe den Besuch aller wichtigen Maya-Städte plus 2 Tage Strand-Faulenzen in besagten 12 Tagen. Respekt!
„Ja, ein bisschen fühlen wir uns schon wie die Marines“, platzt Manfred heraus. „Hopp, hopp, aufstehen. Jeden Tag um 5.30 müssen wir los. So habe ich mir das ja nicht vorgestellt. Aber solang die Frau glücklich ist. Mach ich das halt mit, ne.“ „Gefällt es Dir denn nicht??“ kommt wie aus der Pistole geschossen von Louise. „Doch, schon“, mein Manni kleinlaut „Na, siehst du! Dann rede jetzt nicht so, M A N F R E D! Und jetzt komm! Immer dieses Quatschen da. Das verzögert doch nur wieder alles!“.
Gesagt, getan, Manni senkt den Kopf und trottet seinem Frauchen hinterher.

Mit 41 Pesos Eintritt ist es für uns die günstigste Tempelanlage soweit, wir laufen los. Und laufen, und laufen und laufen. Wir wussten ja, dass das Ganze weit ab vom Schuss liegt, aber wir dachten, wir wären zumindest in die Nähe gefahren. Aber nein, vom Eingang aus gehen
wir nochmal etwas über eine Stunde den Weg entlang, entscheiden
uns am Schild für die Richtung mit dem „medio“-Pfeil, den mittellangen Weg. Ach, hätten wir uns doch mal für den Kurzen entschieden. Wir watscheln, und laufen und gehen...und nach einer gefühlten Ewigkeit dann die erste Ruine, danach die zweite.

OK, ab jetzt nehmen wir den Kurzweg zur Königspyramide. Und zwischen Blättern und Baumstämmen, Stelen und Dickicht erscheint
sie majestätisch vor uns: Estructura II. Wir steigen Treppe um Treppe, kniehoch und nie enden wollend. Schnaufend erreichen wir das Plateau. Jetzt nur noch klitzekleine weitere 40 Treppchen und wir stehen oben.
Wow. Der Ausblick ist grandios. Wie Könige überblicken wir den Urwald, sehen über das dichte Blätterdach ins unendliche Weite. Dunkles Grün, das sich über Quadratkilometer Wald erstreckt, dazwischen stilvoll eingebettet einige hellgraue Pyramiden, dahinter nur der blaue Horizont. Das Schwitzen war´s wert!

Angespornt von dieser Erfahrung klettern wir auf jeden, noch so überwachsenen Steinhaufen, erklimmen die Dächer der Pyramiden und hören erst damit auf, als wir beide zitternde, krampfende Knie bekommen.
Am Abend lassen wir die Eindrücke Revue passieren, ich mache es mir im neuen Campingstuhl bequem, massiere meine schmerzenden Beine, als mich drei freche Mücken durch den Stuhl, meine Hose und meine Haut direkt in den Allerwertesten stechen. Autsch!

CHETUMAL

Samstag, 08.01.2011


malaria?

„Malaria? - Mh. Malaria?“ - Ich werde mit großen Augen, Ungläubigkeit, einer leichten Dosis Verdutzung und viel Verwirrung aus braunen Kulleraugen angestarrt. „Malaria?“ wiederholt der Apotheker noch einmal und der Tonfall wird hinten hinaus höher, fragend. Wie ein Auto schaut er mich an, schüttelt den Kopf und weiß nicht mehr, was er sagen soll.

Also beginne ich erneut mit meinen Erklärungen. Wir brauchen ein Malaria- Notfall-Mittel. Seit gestern denke ich immerzu daran. Drei Mückenstiche jetzt sind kein Problem. Was aber, wenn die nächsten Mosquitos im Problemgebiet Malaria-Träger sind? Im Grunde genommen, haben wir für jegliche Krankheitsfälle ein Mittelchen in unserer Reiseapotheke dabei, für sämtliches Anderes sind wir sowieso durchgeimpft. Unser Tropen-Arzt in München, Dr. Frühwein am Odeonsplatz hat uns sage und schreibe sieben Mal im letzten Winter gesehen und ein Vermögen an uns verdient. Bezüglich Malaria hatte er aber nur den Ratschlag: „Kauft´s des dort, wo´s benötigt wird, da hamm die des vorrätig. Des is kei Problem. Wissts, des Zeug hält sich ja nur 6 Monat lang. Des brauch ich euch jetztad ned mitgebn.“

Nun sind wir im Gebiet, „wo des benötigt wird“, und keiner kennt´s.
Wir rennen von Apotheke zu Apotheke, haben im Internet recherchiert, nein Malaria heißt auch hier Malaria oder auch Paludismo, aber selbst unter diesem Namen gibt’s nur große, fragende Farmacia-Gesichter. „Mh. No se. Uno momento“, ich weiß nicht, Moment mal, sagt die Nächste, immerhin bemüht, verschwindet sie hinter all den Regalen im Nirwana. Ich sehe mich um, ein bisschen sieht die Apotheke aus, wie mein kleiner Spielzeug-Tante-Emma-Laden. Ein paar weiße Regale hier und da, zwei, drei Medikamentchen aufgebart, dahinter ein roter Ständer mit vergilbten Packungen, davor Shampoos, Gummis und Duschgele hinter Glas. Eine schwache Glühbirne hängt trostlos von der Decke herab. Nicht, dass das die kleinste „Farmacia“ ist, die wir in der Stadt gefunden hätten. Nur in die größeren gehen wir rein, das ist schon die Siebte.

Weil wir es nicht glauben können. Auch nicht glauben wollen. Die müssen doch Malaria kennen, das kann doch nicht sein. Aus dem anfänglichem Staunen wird Amüsement, doch langsam aber sicher resultiert Verzweiflung daraus. Ich sinniere vor mich hin, was tun? Wir haben sämtliche Namen der Medikamente aus der Internet-recherche auf einen Zettel geschrieben, wir sind ja auch nicht verbohrt auf ein Einziges aus, na, gut, Malorone wär uns am Liebsten, da am wenigsten Nebenwirkungen, aber wir würden ja auch Jegliches, Hiesiges mit der aktiven Substanz Chloroquin nehmen. Im Notfall müssen wir es uns aus Deutschland schicken lassen, bald sind wir im Kerngebiet der Krankheit.

Da kommt sie wieder. Hochroter Kopf, die Brille rutscht von der Nase,
in den Händen hält sie ein bibeldickes Buch mit ein paar Einmerkerle drinnen. Sie schaut uns an, lächelt etwas verlegen, schlägt das Telefonbuch auf und zitiert: Malaria o Paludismo, dahinter stehe Daraprim, Tabletas.

Ich atme auf. Immerhin etwas. Wir werden gehört, verstanden, man versucht ernsthaft, zu helfen – wenngleich der nächste Satz auch ist: „Wir haben das nicht. Lo siento. Tut mir leid.“ Also gut, raus aus dem Laden, ab in den nächsten. Die letzte Möglichkeit, die uns einfällt, ist die Pharmazie vom großen Walmart, zehn knappe Minuten vom Centro entfernt. Wir rasen auf den Parkplatz, mittlerweile schon etwas entnervt, stürmen hinein, stellen
uns am Sonntag an der 15-Leute-Schlange an, haben unser Zettelchen fest umklammert und hoffen nur das Beste. Positiv bleiben! Senora Karina Lindo, Chefapothekerin steht auf ihrem Schildchen am Revers, steht freundlich lächelnd vor uns. Ich beginne mit meinem Ständchen, das kann ich nun schon auswendig, halte ihr den Zettel mit dem Wirkstoff hin. Frau Lindo legt den Kopf schief, schaut kurz nach oben. Oh je, mir schwant Übles. Doch dann greift sie nach meinem, verzweifelt über den Tresen geschobenen Zettel, sagt „uno momento, por favor“ und kreist um die Regale.

Nach zwei erfolglosen Runden kommt sie zurück, die Leute hinter mir werden schon unruhig, sie greift unter die Kasse – und da ist es wieder: das BUCH. Karina blättert und seufzt, befeuchtet ihren Finger mit Spucke, blättert erneut, guckt nochmal auf den Zettel, hält den Finger drauf, und DA! Der Durchbruch! „Aqui!“ tönt sie erfreut, selbst erstaunt und glücklich über die Zeile, die sie gerade gefunden hat. Da steht das Wort „Malaria, Paludismo“. Ich atme auf, wir stehen kurz vor dem Durchbruch! Denn auch wenn anscheinend noch keiner jemals in dieser riesengroßen Walmart-Apotheke etwas von Malaria oder Gegenstoff gehört zu haben scheint, ist Karina UNSERE Person. Sie ist so nett, kompetent und aufrichtig bemüht, uns zu helfen, schickt uns NICHT weiter, sondern liest und liest und liest.
Mir scheint es eine Ewigkeit, aber als sie wieder aufblickt, diesmal mit wissenden Augen, kann ich es gar nicht glauben: ihre Lippen formen ein „Puedo podirlo!“ sie kann es bestellen!

Hurra! Wir sind glücklich. Am Dienstag, in zwei Tagen, können wir es abholen, unser Medikament. Froh und stolz und happy verlassen wir den Laden, fahren zum Campground und planen die weitere Reise nach Belize. Jetzt kann nichts mehr passieren, nun sind wir vorbereitet.

Hoffentlich haben wir am Dienstag dann auch das Malaria-Medikament und nicht ein nuevo Gleitmittel zur Verwendung für Latexkondome – dann muss doch noch jemand den heiligen Gral finden!

TULUM

Mittwoch, 12.01.2011

malaria, ja, was is´n das?

Also, jetzt ruf ich dann höchstpersönlich Mr. Indiana Jones an. Oder besser noch seinen Vater, Sean Connery ist mir eh lieber. War leider nichts mit Malarone bei Senora Lindo. Gibt´s nicht, kann sie n i r g e n d w o bestellen und sieht uns an, als wollten wir ein alternatives AIDS/Krebs/Alles-Heilmittel bei ihr kaufen. Etwas enttäuscht verlassen wir die Walmart-Pharmazie und machen uns auf den Weg nach Tulum.

Auf der MEX 307 düsen wir knappe drei Stunden bei gemächlichen
80 km/H dahin, passieren große Topes, kleine Häuschen, schnappende Hunde, schleichende Katzen, gackernde Hühner, kreisdrehende Radfahrer, Kamikaze-Straßenverkäufer und galoppierende Reiter mit Hut (genauso gefährlich, wie heimische Autofahrer mit Ebensolchem, wahlweise Klorolle auf der Ablage). Bei all den angebundenen, gesattelten Pferden am Straßenrand kommt schon mal der Gedanke auf, ob es hier ein „Horse-Sharing“ gibt, ähnlich dem Fahrrad-Verleih, und ich halte freudig mit 10 Pesos-Münzen in der Hand Ausschau nach den Einwurf-Stationen.

Als wir in Tulum einfahren fällt auf: hier ist man auf Touristen eingestellt, ja klar, ist ja Yucatan – Restaurants an jeder Ecke, Souvenir-Läden, Klamotten-Shops en masse, und, gut für uns, auch jede Menge Internet-Café's. Was ich da tue? Skypen bis zum Umfallen! Wir fahren Richtung Ruinen und biegen am Schild „Mariachi Restaurant“ zum Strand ab, hier soll es eine Übernachtungsmöglichkeit geben, und tatsächlich, für 100 Pesos können wir hier stehenbleiben. „Es seguro, tranquilo, perfecto“, meint Martha – und so bleiben wir.

Oh yeah, wir haben den perfekten Strand gefunden! The Beach!
Palmenblätter, die sich raschelnd im sanften Wind bewegen, grünglitzerndes Karibikmeer, das den weißen Korallenstrand neckisch leckt – darüber die knallende Sonne. Hier bleiben wir aber mindestens eine ganze Woche und lassen es uns gutgehen...ausspannen vom anstrengenden Nomadenleben. Oh, my goodness, life is so hard! ;=)

Am nächsten Tag geht’s auf die Ruinen, diesmal in besonderer Kulisse: die Maya haben hier direkt am entzückenden Strandparadies gebaut. Nach gut zweistündiger Besichtigung der antiken Stadt und anschließendem tropischen Regenfall fahren wir in die Stadt – zum Doctore. Vielleicht kann er uns weiterhelfen bezüglich unseres Malarone-Problems. Und tatsächlich: Dr. Salvador Pelenkuma empfängt uns freundlich, Beratungsgebühr ist 300 Pesos, egal für was. Wir schildern unser Problem, der Doktor spricht lupenreines Oxford-Englisch und versteht uns voll und ganz, auch er würde den Wirkstoff Chloroquin empfehlen. Nach weiteren zehn Minuten ist die Tablettenmenge addiert, Allergien ausgeschlossen und das Rezept ausgestellt - wir verlassen mit freudigem Strahlen die Praxis. Jetzt
muss nur noch wer das Zeug bestellen, das hier nochmal einen anderen Namen hatte (das Internet hatte es uns nicht gesagt) – und dann wäre die Sache geritzt. Bestellt hat man´s schon. Morgen können wir es abholen...wir werden sehen.

TULUM II

Donnerstag, 13.01.2011


HAlleluja!

Voll guter Hoffnung düsen wir in die Stadt, parken vor der Apotheke und sind gespannt...Halleluja! Das Medikament ist da – Chloroquin steht drauf, Chloroquin ist drin, Alaren der Name. Gekauft! Wir sehen uns an, und können es noch gar nicht glauben, Hurra - wir halten es in Händen! Das Problem ist gelöst...

Nach unserem Erfolgstrip gönnen wir uns ein paar Stunden Relaxen im feinen Sandstrand, unter der Nase ein spannendes Buch, das türkis-blaue Meer leuchtet kristallklar dahinter hervor, die grünen Wellen kräuseln sich, die hellen Palmen wiegen sich sanft im Wind. Wir genießen unseren Medikament-Erfolg, das Paradies und die Stille, feiern den Trip, Tulum, und das Leben im Allgemeinen. Es stellt sich eine klitzekleine Schweigeminute ob der Schönheit um uns herum ein, ach, geht’s uns gut!

TULUM III

Freitag, 14.01.2011

HEY, dude

„Fingers on the mask and octopuss, the other hand on the belt...aaand...VAMOS!“. Wieder mal ein Tag im Paradies, kleine weiße Quell-Wölkchen ziehen am Himmel vorbei, die Sonne scheint, nein brüllt geradezu bei 28 Grad auf uns herunter, der mikrofeine alabasterhelle Sand klebt uns an den Füßen, bevor eine türkise Welle kommt und ihn mit sich wegspült.

Wir beladen das Boot, Jorge, Jeronimo, Georg und ich, und fahren hinaus auf's jadefarbene Meer. Tauchen steht heute auf dem selbstgewählten Programm, am zweitgrößten Riff der Welt! Unser Nachbar und Tauchlehrer Jorge scherzt, in guter alter Tauchlehrermanier, über die g-r-a-n-d-e Haie, die uns in jedem Fall begegnen werden, gerade gestern erst, meint er und beginnt, in Unterwasser-Sprache zu gestikulieren, häh? Wie meint er...?

Hier das Gestik-Rätsel:
die rechte Hand formt ein Loch, den linken Finger steckt er durch, fährt damit rein und wieder raus, danach nimmt er beide Hände zur Seite und hält sie in Armlänge auseinander. Anschließend kommt das berühmte, lustige „Hahnenkamm auf dem Scheitel“, Handballen auf
den Kopf, die fünf Finger Richtung Himmel gestreckt.

Ah ja, das Letzte kenn' ich: Hai!
- aber was kommt davor?

Naa? was kann das sein??

Mhmh...grübel, grübel...denk...überleg...Mann, bin ich schon so lange im Urlaub, oder was? Andrea an graue Zellen: es gibt A R B E I T!

AH..ein kleiner mentaler Schubs, dann hab ich´s:

FUCKING BIG SHARK!

Haben sie also gestern gesehen. Na Bravo! F-r-e-u-d-e? - oder was? Naja. Hält sich in Grenzen. Haie sind ja meine ganz besonderen Freunde. Groß, fies, böse. Jaaa, Greenpeacler, ich weiß schon, stimmt nicht ganz, kann aber
nicht anders. Sorry. An dieser Stelle ein kleines Dankeschön an mein Bruderherz, für die Großbild-Vorführung „Der weiße Hai“ im Home-
Kino im zarten Teenie-Alter von 13 Jahren, einen Tag vor unserem Familienurlaub am Meer. Zum Glück hatte das Resort auch einen Pool, sonst hätte ich den neuen Bikini ausschließlich zum Sonnen am Strand getragen. So wurde er wenigstens auch nass. Egal, Schwamm drüber, bin doch jetzt schon erwachsen, Pah! Haie, machen mir doch nix! Verdrängungstaktik.

Als wir 40 Fuß abgetaucht sind, uns gerade erst ein paar Meter horizontal vorgearbeitet haben, kommt ein wahrer Freund. G-r-a-n-d-e Tortuga! Wie aus dem Nichts kommt sie herangepaddelt, grinst freundlich, zwinkert uns zu, neigt den großen lindgrünen Kopf zur Seite, schwimmt zwei Kreise um mich, beäugt mich putzig mit kugelrunden schwarzen neckischen Augen und brüllt mir fast „Hey, Dude“ entgegen (ganz Nemo-mäßig, Gott, bin ich aber auch Hollywood-verseucht). Lustig sieht sie aus, wie sie mir ein Stückchen folgt und mich anblinkert. rechts paddeln, links nicht vergessen, ein wenig schief liegt sie im Wasser und bewegt die Patsche-Flossen, gute 70 Zentimeter groß schwimmt sie neugierig neben mir. Mein neuer Freund „Dude“. Ein schönes Unterwasser-Willkommen!

Das Riff macht seinem Namen alle Ehre und wir sehen leuchtende, schimmernde Fische in allen möglichen Regenbogenfarben, etliche dichte Schwärme, ein paar Baracudas, Crown Fish, Yellowtail Butterfly Fish und jede Menge Papageienfischis: Neeeemos! Dazu glasklare Sicht, kein Schwebeteilchen trübt das Maskenauge – ich fühle mich wie im sauber geschrubbten Riesenaquarium. Wir tauchen durch eine Höhle, die hellen Fächerkorallen leuchten, lila Polypen bewegen sich elegant in der Strömung, schwammartige orange Gewächse werden von strahlend gelb-schwarz-geprenkelten Mini-Fischlein bevölkert, majestätisch große aquamarinblaue Engelsfische jagen kleine Bunte, ein Silberschwarm blinkt auf, eine zierliche Languste – perfekt getarnt auf dem Felsen - streckt interessiert ihren Kopf hervor.

Wir verlassen den Korallenkäfig wieder, ich genieße die stille Unterwasserwelt, nur mein eigenes Atemgeräusch ist Darth-Vader-mäßig zu hören, zwischendrin das leise „Klink“ der Fische, die von den Korallen fressen, unter mir läßt sich ein Zebrafisch putzen, rechts von mir schwimmt wieder Dude, links treibt sich der neonblaue Mega-Schwarm rum und über mir erhellt ein Sonnenstrahl das Ganze in funkelnden Farben. Ein Glücksrausch überkommt mich, ich fühle mich schwerelos und frei und gerade noch rechtzeitig werfe ich einen Blick auf mein Tank-Barometer.

Shit, schon wieder Zeit zum Hochgehen. So verabschiede ich mich schnell von meinem neuen Buddy Dude, der nicht von meiner Seite weicht, kann mir gerade noch verkneifen, seine Flosse zu schütteln und tauche hoch. Noch währenddessen freue ich mich auf den zweiten Tauchgang heute, unwissend, dass der schon in knappen acht bis zwölf Minuten stattfinden wird.
Kaum ins Boot gekraxelt, kurz mit den Zähnen geklappert (nach 45 Minuten in der Tiefe wird einem trotz 3mm-Anzug etwas kühl um die Schwimmhäute), fünf Minuten zum zweiten Tauchspot gefahren, heißt es: Flaschen wechseln, Jacke, Maske, Gewichte-Gürtel und Flossen wieder an, Regulator in den Mund, auf den Rand setzen... da tönt Jorge schon:
„Fingers on the mask and octopuss, the other hand on the belt... aaand...VAMOS!“

Blubb Blubb Blubb..Hey, Dude! Wo bist du??

Halt, der spricht ja nur spanisch: Hola Dude! Donde eres?!

XCALAK

Donnerstag, 20.01.2011

heimfreuden

Ein grauer Leguan fetzt über die Terrasse, der rote Papagei kräht sich spanisch die Kehle aus dem Hals, ein riesiger Vogel im schreiend blauen Federkleid macht Geräusche wie ein Akku-Schrauber, die Kokospalmen rascheln – nur die Fische sind still und ziehen ihre Kreise.

Das alles kann ich hier von der wunderbaren Terrasse unseres gemieteten Häuschens in Xcalak direkt nach dem Augenaufschlag sehen. Wir dachten, jetzt wäre es mal an der Zeit, unser rollendes Zuhause gegen eines mit festen Wänden, 3 Zimmer-Küche-Bad zu tauschen. Für eine Woche. Nun ist Tag fünf und wir haben uns sichtlich eingelebt. Wahrscheinlich halten uns die Nachbarn für komisch, kauzig, höchst merkwürdig und vielleicht auch undankbar ob des Paradieses um uns herum - wir verlassen die Wohnung kaum. Morgens mal kurze zehn Meter zum Meer watscheln, schön durchschwimmen, etwas schnorcheln am hauseigenen Riff, dann wieder rein, rauf auf die Terrasse, Frühstücken im Morgenlicht – kurz mit dem Kajak rausfahren, mittags gibt’s lecker Schweinebraten und abends krosse Pizza aus dem Ofen.

Zwischendrin Duschen satt und zwar mit Druck auf dem Strahl und warm, ach, was sag ich, heiß! Wie ein frisch gebrühter Hummer entsteige ich duftend dem mir eigenen dampfenden Bad, um mich gleich darauf auf der wunderbar kuschelig-heimeligen Couch breit zu machen. Kontrastprogramm! Kein anderer Mensch stört unsere Ruhe, keiner frägt mich hinter dem Plastikvorhang, ob er mal schnell mein Duschgel/Shampoo/Conditioner/ Haarbürste/Sonnencreme/Klopapier ausleihen kann. Wie schön sind doch zur Abwechslung vier eigene geruhsame Wände! Halt, da lauf ich doch noch mal rein zum Vergnügen eine Runde durch das weitläufige Wohnzimmer, hinein ins Schlafzimmer, Schranktür einmal auf und wieder zu, all dieses Platzangebot, danach geht’s in die Küche, so viel Auswahl an Geräten, ich bin verzückt: Eisfach! Mixer! Backrohrofen! Brotschneidemaschine! Toaster! Kaffeemaschine! Geschirrspüler! Waschmaschine!

Purer Luxus! Jetzt werden Eisshakes gemixt, Braten geschmort, Toastbrote geschmiert, Kaffee Kannenweise getrunken, Wäsche gewaschen...muss nur fünf Knöpfe drücken!

PS. Bei aller Begeisterung für die Technik: Könnte man die digitale Waage bitte wieder aus dem Bad entfernen?

TULUM IV

Donnerstag, 26.01.2011

neue einrichtung

„Puedes probarlo, si quieres...“ (Kannst sie probieren, wenn du willst). Verdammt, schon gewonnen. Ich befinde mich im Centro von Tulum, emsige Geschäftigkeit, süße Obstläden, farbenfrohe Klamottenshops, einladende Cafe´s, frisch riechende Waschsalons, duftende Restaurants und Shops mit allem, was man sonst noch brauchen könnte. In genau so einem bin ich hängengeblieben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich liege genüsslich, langgestreckt und entspannt in einem Traum aus weißem Garn.

Nicht, dass eine Hängematte auf meinem Einkaufszettel gestanden wäre, doch vorbeigehen konnte ich auch nicht. Sie hat mich gelockt, nahezu angeschrien, wie sie da so verführerisch am Haken hing. Kaum habe ich sie in meinen Fingern kommt auch schon Junteram mit seinem Angebot des Probeliegens.

Er hätte auch noch viele, viele Andere, andere Farben, andere Materialien, ich könnte alle einmal probeliegen. Ich zögere, blicke mich zu einer magentafarbenen um, da hängt er schon drei Hammocks in die Mitte seines Geschäfts und lockt: „Probarlo!“ Und kaum versehe ich mich, da liege ich auch schon drinnen, relaxe, inmitten von Kitsch, bunten Figürchen, Kerzenständern, Postkarten, ein blauer Sarong hängt mir fast in der Nase, Blumenkaftans zu meinen Füßen. Ich schwinge von links nach rechts, fühle mich wie ein Baby in der Wiege und bin fast zu entspannt, ja döse beinahe weg in dem Traum aus Wollweiß.

Mh. Eigentlich wollte ich ja keine kaufen, das Platzangebot im Toyota ist ja nun nicht geradezu riesig. „Que pequeno puedo...“ (Wie klein kann ich – sie falten, wollte ich noch anfügen, aber das spanische Wort weiß ich natürlich nicht) – schon liegt die Hammock klein wie ein Pekinesenwelpe in meiner Hand, Junteram hat sie für mich miniminiminiklein gemacht. Nanomäßig. Nun kann ich auch nicht mehr anders und greife zu, handle ihn auf 500 Pesos (wahrscheinlich trotzdem sein Glückstag, so wie er grinst) runter und entschreite glücklich und zufrieden mit meinem „pequeno“ Päckchen dem Geschäft. So, nun aber zum Supermarkt, wo ich eigentlich mein Geld loswerden w(s)ollte.

Dreißig Minuten, fünf Bananen, drei Klorollen, eine Honigmelone, zehn Schokoriegel und vier Fajjitas später mit blütenfrischem Wäschebündel unterm Arm (pro Kilo Wäsche 12 Pesos) kehre ich zum Standplatz zurück und entscheide ich mich zu einem Strandspaziergang am – wie bereits erwähnt – sagenhaften Paradiesstrand von Tulum.

Fleckenlos eingesalbt mit vorbildlichem Lichtschutzfaktor 50 trabe ich im feinen weißen Korallensand mit 5 kmH dahin, als mir in der Ferne vier leuchtend bunte Kite-Surf-Schirme ins Auge stechen. Kaum bin ich da, noch ein wenig röchelnd, die herausfordernden Aktivitäten haben sich in letzter Zeit doch eher auf unsportliche 5MpH (Margaritas per Hour) reduziert, komme ich mit Guma ins Gespräch.

„Instructor“ steht schwarz auf auf seiner weißen Weste, „Respect“ blau auf seinem tätowierten braunen Oberarm. Alle Zeichen für einen Kite-Surf-Kurs stehen also gut, Guma ist witzig und unterhaltsam, ein Kursus findet jeden Tag statt, um 9.00 (oh, nein! Viel zu früh um sowas zu starten), um 11.00 (schon besser) und auch um 14.00 (ok, das ist Meiner!). `Wie viele Stunden braucht man denn so normalerweise?` frage ich arglos. Der Instructor grinst „Depende“ (kommt drauf an), ja schon klar, wie blöd man sich anstellt, aber so „normalmente?“. „

Nun“, sagt er da „im Normalfall brauchst du so um die zwei Stunden, um den Kite unter Kontrolle zu bringen, da üben wir erst am Strand, auf dem Trockenen. Und dann nochmal cirka zwei Stunden im Wasser. Kite-Control. Nach den vier Stunden bist du dann in Etwa so weit wie der da draußen. Siehst du?“ - sagts und zeigt hinaus ins türkise Meer, das heute erstaunlich hohe Wellen zu Tage bringt. Erst sehe ich ihn nicht, dann folge ich mit meinen Augen dem orangen Segel am Himmel und verbinde es mit dem kleinen weißen Punkt im Wasser.

„Du kriegst dann auch einen Schutzhelm, wie er.“, ich gucke irritiert „Das Weiße, der Schutzhelm, siehst du ihn?“ - Sehe ich. Die mitleiderregende Figur im Wasser, puterrot unter dem strahlend weißen Helm, nach Luft schnappend vom Kite schwer entkräftet hinterhergezogen und immer wieder hinter einer Welle verschwindend. Hops, wird er wieder einen halben Meter aus dem Wasser katapultiert, die Schnur gespannt, die Badehose platscht wie der Körper hart auf, der Schirm flattert im strengen Wind auf und ab. Nach Kontrolle sieht das ja nicht so aus. Mh. Riecht nach Bombenspaß.

Wasserbombenmäßig. Na gut, egal, muss ich eben durch. Will ich lernen. „Ungefähr nach acht bis zehn Stunden wirst du damit fahren können“. Ok, klingt gut „Cuanto cuesta?“ (Wieviel soll´s denn kosten?) - „72 Dollares – la hora“ (die Stunde)! - und ab da streiche ich die Segel, multipliziere schnell mal zehn und weiß, das gibt unser Reise-Budget für Spaß einfach nicht her. Verdammt. Ist nicht. Schade, aber wahr.

Auf den Schock erst noch eine Pina Colada (40 Pesos) am Strandcafe und den Kurs auf ein Gardasee-Wochenende verschoben. Oder so. Gehen wir lieber noch mal Tauchen, da ist das Preis-/ Leistungsverhältnis ein deutlich Besseres. 60 Dollar für zwei Tauchgänge. Nächste Woche in der Cenote (ein glasklares "Wasserloch", einzigartig hier in Mexico).

So vergehen die Tage, äh Wochen hier auf Yucatan... ein bisschen Sonnen, Lesen, Schwimmen, Schnorcheln, Tauchen, Strandleben genießen, ein kleiner Plausch mit Gabriel, dem J(Ch)effe hier, der jeden Tag eine Kleinigkeit erledigt. „Que haces?“(Was machst du?), frage ich ihn, als er hellen Sand in einer Schubkarre vom Strand zu den Cabanas schiebt. Gestern hat er einen Baracuda gefangen und danach Ceviche hergestellt (kalte Fischspeise). Vorgestern Hängematten aufgehängt. Den Tag davor eine Babypalme in „unserem Vorgarten“ gepflanzt. „Weißt du“, sagt er da mit strahlenden, warmen rehbraunen Augen „jeden Tag ein bisschen Arbeit, das ist gut. Weißer Sand ist schöner als dunkler. “ - und verteilt lässig mit dem Rechen den hellen Sand auf dem angeschwärzten Parkinglot. „Ich mache es hier schöner...“ und lächelt froh vor sich hin. Morgen wird er die kleine Palme liebevoll wässern. Gutes Leben.

Und jetzt hänge ich mal die wundervolle neue wollweiße Hängematte auf. Sieht so gut und einladend aus, dass ich sie direkt nochmal ausprobieren muss...

PUNTA ALLEN

Samstag, 29.01.2011

idylle, einsamkeit und sting-rays

56 Km buckelt Vally auf der Schlaglöcher gespickten Straße entlang. Nach turbulenten 2,5 Stunden haben wir unser Ziel auf der schmalen von hohen Palmen und grünem Meer eingerahmten Landzunge erreicht.

Einem Tipp folgend fahren wir erst zum Leuchtturm am Ende, doch werden leider enttäuscht, der „super Stellplatz“ ist ziemlich verdreckt, stinkender Müll und moderndes Seegras, das törnt ab. So drehen wir wieder um, verbringen weitere 20 Minuten auf der Buckelpiste und bleiben schluss endlich versteckt von meterhohen Kokospalmen direkt am Sandstrand „wild“ stehen. Ein traumhafter Platz. Wir packen unsere Stühle aus, dinnieren am Ufer, das weite Meer vor uns, die kleinen Wellen umspülen den Korallensand.

Am nächsten Tag gehen wir Schnorcheln, werden kurz von mehreren zwei Meter großen hellen und dunklen Sting-Rays erschreckt - ein bisschen wie Schwarz-Weiß-Fernsehen mit Blue-Box-Hintergrund – können uns aber aufgrund der mittlerweile erworbenen inneren Ruhe schnell wieder fassen und schauen fasziniert dem Unterwasser-Treiben in diesem Bio-Reservat zu. Mittags suche ich mir ein schattiges Plätzchen, um meine fantastische Hängematte zwischen die Palmen zu knoten, hänge ein bisschen ab, und abends trinken wir zwei Margaritas auf unser Stellplatz-Glück. Nach zwei Tagen wechseln wir den Platz und finden „Costa del Sol“, ein kleines, feines Restaurant, liebevoll und kreativ dekoriert. „1001 Hängematte“ könnte es auch heißen, verlockende farbenfrohe Hammocks an jeder zweiten Palme, bunte Kugeln in den Bäumen, die Tische mit Airbrush-Arbeiten verschönert – ein wunderbar verträumter Platz. Wir sind die einzigen Gäste in der Anlage, so legen wir uns, was auch anderes, in zwei bunte Matten, schaukeln ein wenig hin und her und genießen die sagenhafte Sicht auf Meer in zweierlei Grüntönen, zwischendrin von sattem Azurblau unterbrochen, weiter hinten strahlt der helle Sandtrand einer Landzunge zwischen dem dichten Kokospalmenwald hervor. Idyllisch!

CANCUN + PLAYA DEL CARMEN

Dienstag, 01.02.2011

las vegas auf der insel

Wir wollten es ja nicht glauben: sowohl Jorge (unser mexikanischer Nachbar und Tauchlehrer), als auch Maria, Hernando und Juanita (in Cancun geboren) sind der Meinung, Tululm ist der schönste Strandabschnitt der Yucatan-Halbinsel. Sie müssen es ja wissen, hier geboren und aufgewachsen kennen sie die Küste in und auswendig.

Es fühlt sich schon fast wie unser mexikanisches Zuhause hier an, durch das Abhängen in Jorge´ s Garten (direkt neben uns) lernen wir immer mehr Leutchen kennen und es ist ein großes „Hallo“ , Freude und Umarmen, jedesmal wenn wir nach ein paar Tagen „auswärts“ wieder hier am Mariachi Beach einfahren. Und wirklich: leider, sowohl Playa del Carmen als auch Cancun sind relativ enttäuschend, so verwöhnt sind wir mittlerweile von Ruhe, Einsamkeit UND karibischem Hintergrundbild. Am Strand von „Carmen“ reihen sich Liegestuhl an Sonnenschirm, tiefbraunrot-geröstete Donatella Versace-Verschnitte liegen regungslos mit abgestreckten Oberarmen auf der Chaiselongue, wankende Menschenmassen stolpern grölend mit Drinks in der Hand am Hotelstrand entlang, durch neonfarbene Ketten sind die hoteleigenen Strand- und Meer(!)abschnitte abgetrennt vom jeweils nächsten Resort. Cancun kommt uns wie eine Fata Morgana vor, irgendetwas zwischen Spaßfabrik und Las Vegas auf der Insel, inklusive Straßenchaos. Die Zona Hotelera besteht ausschließlich aus riesengroßen Hotels, teils zwar mit herausragender Architektur und auch schön aufgemacht, dennoch war auch dort der Strand völlig überfüllt. Trotz Allem: auch hier herrscht dieselbe hinreißende Farbkombi Türkis-Blau-Weiß wie (fast) an der gesamten Küste Yucatans!

XPU-HA

Dienstag, 01.02.2011


mein schaaatz!

Klirr, klack – shit! Oh, Mist! Holy Crap! Ich schreie auf, Georg kommt angerannt: „Was ist passiert? Fehlt dir was?“ - Nein, nicht mir! Unser (fast) wichtigstes Reiseutensil ist zerbrochen! Um es mit Golloms Worten zu wispern: „Unser Schaaatz, Our precious!“ Verdammt! Ich fluche und es ist schlimmer, als wäre eine 300 Jahre alte chinesische Porzellanvase vor meinen Füßen kaputt gegangen. Wer braucht schon Porzellanvasen! Aber Kaffee! Das ist lebenswichtig! Bin auf dem Weg zum Abspülen über einen Ast gestolpert und da ist es passiert!

Der Melitta-Plastik-Kaffefilter ist in tausend Stücke zerbrochen. Jeden Tag kommt er zum Einsatz, Nescafe-Pulver zum Anrühren kommt mir nicht in die Tasse! Nirgendwo gibt es hier einen Ersatz zu kaufen. Und jetzt das! Schnell hebe ich alle Stücke auf, krame kleine Splitter zusammen und trage alles zurück in den Toyota. Wo ist denn nur der zwei-Komponenten-Kleber? Nach einer Ewigkeit und hinterlassenem Chaos „im Wohnzimmer“ finde ich ihn im letzten Kästchen, das ich durchsuche. Nun wird geklebt, was der UHU hergibt. Nach 15 Minuten Basteln und Bangen sind alle Stücke zusammengesetzt, verklebt und ausgehärtet. Bleibt nur noch zu hoffen, dass der Cafe nun nicht klebrig-chemisch schmeckt...

Back to business... nach dem Schreck erst mal ausruhen, die Hängematte nutzen, einen Strandpaziergang machen, den neuen Beach in Xpu-Ha (zwischen Playa del Carmen und Tulum) genießen, etwas Schnorcheln am nahen Riff, die vielen schönen bunten Fische, Fächerkorallen und Sting-Rays entspannen den Geist, gut gelaunt kehre ich zurück zum Auto und brühe mir jetzt erst mal einen guten, echten Filtercafe – und siehe da: Geschmack perfekt, Filter stabil, zum Glück!

TULUM

Samstag, 06.02.2011

back in tulum

„Andrea, George – you´re here again!“ - als wären wir zwei Jahre weg gewesen werden wir geherzt und umarmt, nach 15 Minuten drücken und knuddeln beziehen wir unseren „alten“ Standplatz. Fühlt sich gut an, wieder hier zu sein. Jorge lädt uns auf zwei Cafe ein und wir hören was die letzten Tage hier in Tulum so passiert ist:

Neue Wasserlieferung für die Duschen ("leider zu viel Chlor drin"), Toiletten dafür aber im Moment kaputt ("nachmittag soll der Klempner kommen"), im Restaurant gibt’s neue Speisen ("Empfehlung: Filete a la plancha“), beim Tauchgang eine Delfin-Familie begleitet ("müssen unbedingt das Video von Maria angucken"), „Mambo“ und „Daisy“ in Hütte II haben Welpennachwuchs bekommen ("wollen wir einen Hund?"), heute Abend Party am Strand (klar kommen wir).

Nun erstmal Hängematte plazieren, Stühle raus, Strandspaziergang
zu Hütte II...

TULUM VI

Donnerstag, 10.02.2011

cenote-dive

„It is aa not aaa dangerrrous“, erklärt Takuma ( =Jorge, der Tauchlehrer) mit sagenhaft rollendem R. „Nobody I know was aa hurt.-“ Pause. „Or dead“. - „Me also not“. Pause. „So, noo. It is a not a dangerrous. First we go and check a the equipament and then we go into the water. Fascinating water, crystallclear, you can a see ahunderet and fifty meters! Rrreally. I swear. And it is a cave, so very good balanced, no waves, nicer than in the ocean... and there are stalagnites and stalagtites all over, and then we switch a off our lamparas, and then we are in a the dark. Absolute a dark. Night. Arrround us. Nothing you can see. And your heart goes bum bum.“

Nach dieser verführerischen Rede vor einigen Tagen geht uns der Cenote Dive nicht mehr aus dem Kopf und heute werden wir endlich dazu kommen. Francesco und Isabell sind nun auch wieder bei uns, sie sind gestern nachmittag in Tulum eingerollt und haben ihren „Urlaub vom Urlaub“ auf der Dominikanischen Republik sichtlich genossen, wir freuen uns, wieder gemeinsam reisen (und heute auch tauchen) zu können. Um 7.00 wollten wir los, zum Glück für mich wurde 8.30 draus (aber nicht meine Schuld) und nach rumpeligem, stoßdämpferlosem Hüpfen über viele Topes gelangen wir zum 15 Km entfernten Dos Ojos. Eine Cenote, wie in die Erde gemalt: eine steinerne Höhle tut sich mitten im Dschungel auf, öffnet sich und gibt den Blick frei auf türkisgrünes glasklares, lupenreines Wasser, darin Felsformationen bizarrer Art, sie verschwinden im zackigen dunklen Nirvana.

Wir checken unsere Ausrüstung, quetschen uns in die Doppelschicht Wet-Suits rein (drunter 2,5mm Shorty, drüber 3mm Langarmanzug), legen die Weste mit Gewichten (weniger, da Süßwasser) und dem Sauerstofftank an und watscheln los. Erst über den Parkplatz, mitten durch den Wald, dann die Holztreppen hinunter, die werden zu glitschigen Steintreppen, je näher wir der Cenote kommen. Puh, ganz schön schwer, all das Zeugs auf dem Rücken, in der Hand die Flossen, slipery...Doch nach fünf Minuten sind wir da, springen rein ins 26 Grad warme Becken. Der Boden scheint so nah, man traut sich fast nicht springen, das Wasser ist so klar, dass die vier Meter wie zwei erscheinen. Mal was anderes, nicht vom Boot hintenüber fallen lassen, sondern geradeaus reinjumpen. Brille auf, Regulator in den Mund, Luft aus der Weste ablassen. Rundumblick. Wahnsinn! Bin ich schwerelos? Ich schwebe. Die Fische auch.

Bin in einem dieser aufgeschnittenen Riesensteinen mit Kristallquarz drinnen, die sie auf den Christkindlmärkten verkaufen. Hinten schwarz funkelnd, unter uns erst der weiße Sand, durchbrochen von dunklen Steinen, dann tauchen wir der Schnur entlang ab. Puuch, puchh, blubb, blubb. Nur dieses Geräusch, kein anderes ist zu hören. Es ist absolut ruhig, still, kein Strom, keine Wasserbewegung. Dann schwebt der gelbe Fisch an mir vorbei. Einfach so. Keine Schnur dran, kein Schebteilchen, wie schwimmt der nur? Ich leuchte mit der Lampe um mich. Eine Steinhöhle, über mir die hellbraunen Stalagtiten, bis weit herunter hängen sie in die Wasserhöhle, dazwischendrin glatte Felsen, darin manchmal kleine und größere Löcher, die sich spiegeln, ich paddle weiter und sehe, wie links oben eine neue Öffnung erscheint. Licht, blaues, türkises Licht, das leicht wabert, obendrauf Flecken wie schwarzblaue Fettaugen.

Direkt im goldenen Schnitt erscheinen zwei Felssäulen dunkel davor, etliche dahinter. Sonnenlicht erstrahlt das Ganze in einem faszinierenden Licht. Es ist so weit weg von uns, und doch so nah. Und das unter Wasser. Etwas ganz anderes! Wir schweben unserem Aufstieg entgegen, doch zwischendrin tauchen wir in der Caverne auf und sehen - Fledermäuse. Wir befinden uns in einem inneren Loch, einer Höhle, massig viele Mini-Stalatiten, zwischendrin sitzen Feldermäuse und hängen ein bisschen ab in der kühlen Höhle. Kühl wird’s uns auch langsam, trotz addiertem 5,5 mm-Anzug ist es scheiß-kalt – aber auch überirdisch-fantastisch-schön! Nach einer (etwas zu kurzen Pause) der zweite Dive. Nach weiteren 45 Minuten unter Wasser kribbeln uns allen etwas die Fingerspitzen und wir klappern mit den Zähnen. Cool, but happy!

Immer noch leicht zitterig aufgrund der Kälte brettern wir nach dem endlos erscheinenden Rausschälen aus beiden Wet-Suits bei 90 Km/h in Takuma´s Stoßdämpferlosen Jeep (schätzungsweise aufgrund all der Topes) wieder nach Tulum, hinten zehn Tauchflaschen und drei Kisten mit Zubehör, da sehen wir vor lauter Schreck wie in Zeitlupe vor uns einen riesigen Tope erscheinen! Alle halten den Atem an, Takuma zischt „Carbron!“, bremst ab, das Auto hebt ab, wir fliegen in die Höhe, mein Schädel knallt ans Autodach, hinten klappern die Sauerstoffflaschen in einem ekligen tinnitusreifen Bing-Ton aneinander, danach platschen wir zurück auf die Sitze, danach das Auto auf die Reifen. Bonk. Und nochmal Bonk. Danach Takumas „Putta madre!! Que pasa?!! Focking topes!“ Wir gucken uns an: alles gut. Prußten los und lachen und lachen und lachen uns halb tot.

Danach fahren wir 30 kmh. Die gesamte Strecke. Strikt.

TULUM VII

Freitag, 11.02.2011

flipper! mein! Freund! flipper!

Ein Highlight jagt das Nächste: Gestern erst flog das Plakat „Swim with Dolphins, now!“ am Straßenrand vorbei, vorgestern habe ich ihnen im offenen Meer zugesehen und heute werde ich mit ihnen schwimmen! Ich freue mich unendlich, mein Herz klopft, als ich eintrete, meine Weste umlege, ins Wasser steige und das erste erste erste Mal greifbar und streichelnah ein Flipper an mir vorbeicruist. Sidney und Jerome, „unsere“ Delphine für die nächste Stunde kommen näher, begrüßen uns, gucken uns tief ins Auge, bleiben nahe bei uns.

Wie kann so ein fischiges Säugetier nur so glücklich machen? Es ist wirklich unfassbar, ein fantastischer emotionaler Augenblick für mich (wahrscheinlich zu oft „Flipper“ im Kinder-Fernsehen gesehen, da hat sich irgendwas festgesetzt). Wir dürfen streicheln, bewundern, spielen. Ich höre ihre Töne unter Wasser, eindrücklich laut quietschen und quaken sie, ich tauche mit ihnen, sehe Sidney aus einem Zentimeter Entfernung ins graue Auge, betrachte den Ohrschlitz dahinter, schwimme ein Stück mit ihm, seine große, kühle, kräftige Flosse streift mich am Bein, es ist ein ganz merkwürdiges Gefühl. Und trotzdem durchströmt mich die gesamte Zeit über ein Happy-oh-so-happy-Feeling! Ich möchte immer so weiterschwimmen und mich festhalten, und ich gebe das „Kommando“, wie der Trainer uns erklärt hat, strecke beide Arme im Wasser zur Seite aus, und schon spüre ich einen enormen Unterwasserstrom.

Etwas großes Blaudunkles bewegt sich irre schnell auf mich zu, kurz knallt etwas Adrenalin in mein Blut, allein der Überraschungsmoment, da kommt die gebogene dunkelgraue Rückenflosse aus dem Wasser geschossen, treibt es sprudelnd-schaumig vor sich her und plötzlich habe ich beide Flossen Sidney´s in der Hand und werde durchs gesamte Wasserareal gezogen. Sid rast so schnell, dass ich noch merke, wie mein Bikini-Höschen im Strom von der Hüfte rutscht und alle gucken meinem Ride zu und ich merke, wie mein Po an der Wasseroberfläche erscheint, und mein Unterteil halte ich krampfhaft mit meinen Knien fest und wir reiten durchs Wasser...und dann lasse ich los, meinem Bikinihöschen und meinem Arsch zu liebe! Nach dem Speed-Spaß gibt’s noch einen Kiss (Kommando=beide Hände an die Weste), nach einer dicken Umarmung und tausend Küsschen muss man mich von den Flippern loseisen und ich steige nach einer Stunde immer noch verzückt-glücklich-dümmlich-grinsend zu Georg ins Auto.

TULUM VIII

Sonntag, 13.02.2011


hasta luego, mexico!

Nach ziemlich genau vier Wochen mehr oder weniger am selben Strand in Tulum fällt der Abschied unheimlich schwer! Sehr schön ist es zu sehen, dass Jeronimo meine Ex-Fake-Ray-Ban-Brille gar nicht mehr von der Nase nimmt, Pedro stolz unser 7Leguas-Cap trägt, Jorge seinen Tisch mit dem zugehörigen Poncho geschmückt hat, die Geschenke aus der Tequila-Destillerie also gut verteilt sind.

Der „loco februero“ macht es uns allerdings ein bisschen leichter, den Ort zu verlassen. Das hiesige Aprilwetter hat es in sich, gestern noch 36 Grad und Sonne, heute schüttet es aus Kübeln und die Welt scheint im Meer unterzugehen, plötzlich ist es ziemlich kalt geworden (23 Grad) und ich packe meine Langarm-Klamotten wieder aus, wie komisch es sich anfühlt, Socken zu tragen! Nach vielen Umarmungen, letzten Blicken auf die Welpen von Hernando, guten Wünschen und Abschiedsbussis für alle machen wir uns auf den Weg nach Belize, mal sehen, was uns dort erwartet. Einen guten Rat gibt uns Takuma noch mit auf den Weg:

„Always aa thinka: you live NOW! No worries. No worries about a yesterday, about a tomorrow, cause all you can a live is in this a moment. Right now. Make the best of it! Enjoy! YOU LIVE NOW!“
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