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SAN IGNACIO

Mittwoch, 22.06.2011

listo! (fertig!)

„Hola? Buenas?“- Pause. Warten. Nochmal: „Hola? Hoooolaa!?!“, großes Fragezeichen!? Seit fünfzehn Minuten warten wir bei lustiger Hofbräuhaus-uff-da-da-da-Volksmusik in einer kleinen Hütte vor dunklem Holztisch.

Vorne am Sichtschutz des Schreibtisches prangt original der röhrende Hirsch. Auf dem Pult liegt, was man halt so als Beamter braucht: ein Locher, ein Tacker plus zwei dunkelblaue Büchlein mit Füllfederhalter. Dahinter ein weißer geflickter Plastikstuhl, im Regal an der Wand schiefe graue Ordner, links davon ein kniehoher Barbecue-Beistelltisch, darauf ein liebevoll durch karierte Deckchen geschützter Drucker, sowie ein kleiner Computer von Anno dazumal. Die blaue Eintrittstür ist aus der Verankerung gerissen und lehnt somit lässig neben dem Eingang an der Wand.
Wir sind im Zollbüro der ecuadorianischen Grenze und haben selten einen so entspannten Übergang ins nächste Land erlebt. Die fünf luxuriösen und redseligen Tage am Pool mit den Norwegern, Schweizern und Amerikanern waren erholsam und anregend, nun sind wir wieder alleine unterwegs.

Nach dem dritten, aber höflichen, nur etwas verwunderten „Hola?“ tönt Selbiges zurückhaltend, etwas verschlafen aus dem Hinterzimmer. „Hola??“. Schon erscheint ein Mitte Vierzigjähriger, reibt sich kurz die Augen, blinzelt müde und setzt sich auf seinen Stuhl. „Por favor“, sagt er, fummelt eine Hornbrille aus der Jackentasche und bedeutet uns mit graziler Geste, uns ebenfalls zu setzen. Da nur ein Stuhl da ist, setze ich mich, Georg zückt den Fahrzeugschein. Nach kurzem fünf-Minuten-Gespräch und ein paar Lachern sind wir fertig. Einmal Stempel drauf, Dokument gelesen, Kopienübergabe: „Listo!“ (Fertig, geschafft), sprachs, dreht sich um, steckt die Brille wieder ein und verschwindet piano im Hinterzimmer. Wir schlendern langsam, nur das scheint uns hier angebracht, zur nächsten Holzhütte: Personenausreise. Auch dort ist keiner, doch schon hören wir ein Motorrad ansausen. Der schnittige Grenzbeamte betritt cool sein Büro, nimmt die Ray-Ban- Sonnenbrille ab und unsere Reisepässe entgegen, stempelt zweimal hinein: „Listo! Buen Viaje!“- das war´s in Ecuador.

Nun öffnet uns Schnitte noch die Schranke und wir fahren über die Brücke nach Peru. Die rot-weiß-rote Flagge weht schon, doch auch dort befindet sich eine Absperrung – doch kein Mensch weit und breit. So steigen wir aus und laufen den nächsten unscheinbaren Hütten entgegen. Gar nicht so einfach, herauszufinden, wohin wir müssen. Donde esta la officina? Eine superchillige Grenze ohne Schlepper, Geschrei und Abzocke, auch mal was Neues. Nachdem wir das Aduana (Zoll-)-Hüttchen gefunden haben (Olé!), ist auch die Vally-Einreise schnell erledigt, wir suchen nun das Personen-Immigrations-Häuschen. „Alfrente“ (nebenan) sagt uns der Senor, doch auch dort ist – welch Überraschung - keiner im Büro. Wenigstens sind wir richtig, auf einem klitzekleinen weißen Schild am oberen Ende des Holzverschlags lesen wir „Migraciones“, zwei Meter weiter sehen wir auch ein Fenster mit Stäben dran. Das muss es sein. Mh. Als wir dastehen und warten pfeift einer vom zweiten Stock des Nebengebäudes zu uns herunter: „Está en su casa! Alli!“ (Er ist in seinem Haus...Dort!), und weist uns den Weg. Am „Casa Amarilla“ (gelben Haus) um die Ecke, vorbei an zehn auf dem Boden spielenden Kleinkindern, zwei wiehernden Eseln, fünf gackernden Hühnern und einem fluffigen Angora-Albino-Hahn klopfen wir an der orangefarbenen Tür. Sofort ertönt ein ungewohnt frisches „un momento - entra!“ (Ein Moment - eintreten). Dampf kommt aus dem Raum, oh, er war duschen. Ich bleibe vorsichtshalber mal draußen, nicht dass er in Boxershorts aus dem Bad kommt. Nach zwei Minuten erscheint Georg wieder und hält beide Personalausweise abgestempelt in der Hand. „Wie? Der will mich gar nicht sehen?“ frage ich noch, sagt Georg nur „Och, nö.“ und schiebt mit einem Grinsen hinterher: „Listo!“

KUELAP

Freitag, 24.06.2011

iNKASTYLE

Unser nächstes Ziel sind die Ruinen von Kuelap. Da mag jetzt einer denken, schon wieder Ruinen – und derjenige trifft den Nagel auf den Kopf. Also, nicht, dass die Überbleibsel alter Kulturen nicht interessant wären, doch nach fast einem Jahr auf Achse, der Besichtigung von mexikanischen Pyramiden, guatemalischen Tempeln und ecuadorianischen Ruinen bin ich, naja, wie soll ich das nun ausdrücken, vielleicht etwas verwöhnt.

Zumal ich diese unglaublichen Energien am Ort auch um´s Verrecken nicht spüren kann – ach, da fällt´s mir wieder ein, meine Antennen sind halt durch den Wein so verstopft. Diesmal bin ich jedoch allzu nüchtern, als wir die gewöhnungsbedürftige Off-road-Strecke nach Kuelap fahren. Durchgeschüttelt wie auf dem Power Plate, zweimal kurz dem Tod von der Schippe gesprungen (Georg sagt was anderes, aber für mich war der Toyota schon mindestens zwei Reifenbreit zu nah am Abgrund) kommen wir oben an. Es ist bereits halb fünf und die Sonne verabschiedet sich über Nacht von diesem Teil der Erde. Sie taucht die grandiose Landschaft hier auf 3600 Metern in goldenes Licht. Wir sehen ein überwältigendes Panorama, blaue Berge mit orangefarbenen Spitzen, keine zweihundert Meter entfernt schmiegen sich die ockerfarbenen Ruinenwände an den roten Rand, weiße Wolkenbänder ziehen sich filmreif darüber. Wir sind die einzigen Personen hier weit und breit, die Stille ist überwältigend. Ruhig, still, nichts. Kein Vogel, kein Hund, kein Pferd, kein Auto, kein Mensch. Einfach nichts. Ich höre nochmal hin, denn es ist schon fast komisch – doch ich höre gar nichts. Absolute Stille.

Naja, das soll sich natürlich bald ändern. Als ich am Morgen aufwache, strecke ich kurz die Nase raus, Temperatursensor an, da plärrt es von allen Seiten in glockenhellem Kinderton: „Alemania! Alemania!“. Wir sind umzingelt! Mindestens fünfzehn Kinder im zarten Alter von vier bis sechs umringen unser Auto, sind hochauf begeistert von dem Wagen und uns. Schnell wieder die Tür zu, Katzenwäsche und nichts wie rauf auf die Festung. Run! Immer noch völlig ohne Schimmer, wie diese Kiddies da hinauf kommen – und das um 7.10 Uhr, ziehen wir uns an und erklimmen den Hügel (Eintritt: 10 Sol). Oben angekommen staunen wir nicht schlecht: es ist wahrlich eine filmreife Kulisse, die sich uns bietet. Da die Ruinen ziemlich abseits gelegen in den Bergen stehen sind wir die allereinzigsten Besucher und genießen die Atmosphäre sehr. Hie und da mein ich sogar ein wenig Energie zu spüren...Die alten Inka haben sich nicht lumpen lassen und hier eine Tempelanlage der Extraklasse erbaut: das Eingangstor durch dicke Mauern geschützt, hohe Stufen müssen wir erklimmen, doch als wir oben sind, stockt uns der Atem. Die 360°-Aussicht auf die Täler rundherum ist ergreifend, helle Wolkenfetzen hängen leicht in der Szenerie, uralte Bäume stehen windschief da, die satten Wiesen leuchten mit dem strahlend blauen Himmel um die Wette. Die Sonne zeichnet scharfe Schatten in die gelben Steine, die rautenförmigen Muster und Verzierungen in den Tempeln treten plastisch hervor. Wir wandern herum, können uns völlig frei in der alten Priesterstadt bewegen, sind begeistert von Planung, Ausführung und künstlerischer Gestaltung der Tempel. Hier ein Wohnhaus, dort ein Grab, auf einer Plattform der religiöse Ort der Opferung – das lässt mich kurz erschaudern. Da höre ich auch noch ein Knacken hinter mir, zucke zusammen – und muss lachen: ein Alpaca beäugt mich schräg, guckt mit großen Nüstern und Augen auf mich herab, ich fange an zu prusten und hoffe, dass es mich jetzt nicht auch noch anspuckt. Passiert zum Glück nicht, streicheln darf ich es aber auch nicht, denn da rennt es wie von der Tarantel gestochen davon.

Nach Celendin

Samstag, 25.06.2011

geschÜttelt - nicht gerÜhrt

Nach ein paar Stunden machen wir uns auf den Weg nach Celendin. Zehn Fahrstunden später erreichen wir die Stadt, und als wir dort ankommen, kann ich nur autistisch wiederholen: „was ein Tag, was ein Tag, was ein Tag!“ oder auch „ein schöööner Tag, die Welt steht still, ein schöööner Tag, komm Welt lass Dich umarmen, welch ein Tag“, zwar ohne Pils, aber mit Vally-Vibes.

Es ist tatsächlich unglaublich, was man alles „from dawn till dusk“ sehen kann: wir beginnen die Fahrt, wie bereits erwähnt in den hohen, blauen Bergen, wandeln gerade noch auf alten heiligen Inka-Pfaden, fahren dann über die fiese Schunkel-Schaukel-Schüttel-Rüttel-Schlaglochstraße hinunter an Häusern eines anderen Jahrhunderts vorbei. Wir passieren Dörfer, in denen die Zeit stehengeblieben ist, sehen Frauen Wolle spindeln, Kinder, die auf Eseln reiten und Männer, die das Feld mit Ochsen durchackern. Dann treten wir in eine anderes Fahr-Level ein: nur ein schmaler Grat bleibt uns als Straße, rechts und links geht’s an die 3000 Meter steilst bergab, der Weg ist nicht gesichtert. Mein Herz pumpt heftig, ich kralle mich im Sitz fest, bin nur glücklich, dass Vally so ein schlanker Toyota ist, der leichträdrig über diese Fahrspur galloppiert. Als das Adrenalin einschießt mag es auch gar nicht mehr aufhören, denn diese Achterbahnfahrt soll nun für weitere zwei Stunden so weitergehen. Aber, hey, ich will mich nicht beschweren, denn zusätzlich zur inneren Aufregung bekommen wir ein Panorama der Luxusgüte präsentiert: unendlich scheint sich das Gebirgsmassiv in der Ferne zu erstrecken, die Schlümpfe lassen von den blauen spitz zulaufenden Bergen grüßen, die Felsen sind nackt, roh und grob, schimmern nah in grün, fern in dunstigem Azul.

Der schmale Weg ist wie eingeritzt in das Faltengebirge, wir fahren wortwörtlich über Stock und über Stein, weiter, immer weiter, bis wir in eine andere Klimazone eintreten: plötzlich und ohne Vorwarnung wird es heißer und trocken, das Grün um uns herum verschwindet, weicht einem dürren Beige, keine Bäume mehr, nur noch Sand. Blumen weichen Kakteen, die Sonne sticht, Bergrücken schimmern beige, grau und weiß. Wüste, kein Leben. Zum Glück haben wir genug Wasser und Diesel mit an Board (in Ecuador 280 Liter für schlappe $ 68 getankt), denn diese Szenerie soll sich noch weitere vier Fahrstunden so präsentieren, bis wir an eine grüne Oase stoßen. Nein, ich fantasiere nicht, bin vollgepumpt mit Flüssigkeiten, doch mitten in der Wüste erscheint eine Stadt vor uns. Aus dem Nichts heraus entspringt ein Fluss, und wo Wasser ist, da ist auch Leben. Surreal erscheint das Dorf, umgeben von blühenden Bäumen, der Grün-Sand-Kontrast haut mich aus dem Sitz. Die Dorfbewohner sind mindestens ebenso fasziniert von uns, wie wir von der Oase, sie halten in ihren Tätigkeiten inne, starren uns und das Auto an, verziehen jedoch keine Miene dabei. Wieder mal sind wir froh, uns für Vally und kein anderes Auto entschieden zu haben, denn auf der asphaltierten Panamericana würden wir auf diese Erlebnisse verzichten müssen. Weiter geht’s durch unbewohnte Gebiete, dann wieder durch Mini-Siedlungen hindurch. Auffällig sind die Toilettenhäuschen, die wohl irgendwann vom Staat gesponsert wurden, da sie alle in einheitlichen Türkistönen gehalten sind: etwa 50 Meter entfernt vom Holz-und Lehmwohnhaus wird ein Loch gegraben, darüber prangt ein betonierter zwei-Zentimeter-Rand, umringt das Ganze von blauem Wellblech – nichts mit „Wohfühl-Oase Bad“.

Bald haben wir die letzte Bergkuppe genommen, sind mitten durch eine rockende Dorfdisko gefahren, haben an die hundert Alpacas überholt, sind zwei hinter der Ecke kreuzenden Rinderherden in letzter Minute ausgewichen, haben drei Fahrschul-Situationen mit ballspielenden Kindern bravourös gemeistert, haben 500 Höhenzüge, zwei Dörfer und drei Wolle-spinnende Frauen bewundert und kommen zwölf Sunden später endlich in Celendin an.

In der Stadt werden wir eine schlaflose Nacht für fünf Sol (geteilt durch 4 = Euro) auf dem Parqueo (Parkplatz) verbringen, der jetzt – und das ist neu für uns - „Cochera“ heißt. Erst gehen wir Essen, die meisten Gerichten kosten zwischen 1,50 und 5,00 Euro, danach schnell in den Supermercado. Kann mich mal wieder nicht entscheiden, so geht Georg schon mal raus. Als ich mit Tüten bepackt folge, pruste ich los: da steht Schatzi, mitten auf dem asphaltierten Bürgersteig, zwischen Geschäften, Autos und Tuf-Tufs, in der einen Hand eine Cola, in der anderen: ein PFERD!

Beide gucken mich an, als wäre es das Normalste auf der Welt, Pferdchen wiehert und ich krieg mich nicht mehr ein vor Lachen. Fury ist ein wunderschöner Hengst, er dampft noch von vorangegangener Antrengung, ich klopfe ihm den Hals und schaue Georg verwundert an. „Ach so“, meint Georg, „der da drüben kauft sich gerade einen neuen Hut, drum soll ich sein Pferd solange halten“. Ach so!

HUANCHACO + TRUJILLO

Dienstag, 28.06.2011

die macht sei mit dir

Auf dem Weg nach Huanchaco stelle ich fest: andere Dörfer, andere Hüte! Wer hier in Peru was auf sich hält trägt keinen dunklen spitzen Filzhut wie in Ecuador, oh nein, hier ist der beige breitkrempige, wohlgerundete, hohe Cowboyhut der allerletzte Schrei. Oder vielmehr: Ausdruck der Zugehörigkeit. Die Röcke bleiben bunt, jedoch einfarbig, Strumpfhosen gibt’s hier keine.

Die Schuluniform ist schwarz-weiß, die Mädchen tragen Kleider und Zöpfe. Wir sehen viele Drei- bis Fünfjährige, die völlig allein und ohne Hilfe die Kuhherde treiben, Schafe hüten, das Geschirr und die Wäsche am Wasserlauf neben der Straße waschen sowie Holz mit der Machete hacken. Das harte Leben spiegelt sich jedoch auch auf ihren Gesichtern wieder und ich muss an Emily, meine sechsjährige Nichte in Deutschland denken, die gerade fröhlich spielend im Garten meines Bruders umhertobt, mit der einzigen Sorge: darf ich heute abend länger aufbleiben? Ich halte kurz inne und kann nicht umhin zu denken: „Scheiße, geht’s uns gut daheim! So verdammt gut!“.

In Huanchaco angekommen genießen wir den Surfer-Spirit der Beach-City, trotz der eher kühlen Temperaturen (19 Grad dank dem Humboldstrom, der auch dichten Küstennebel von April bis Dezember mit sich bringt, wer denkt das schon von Peru?!), genehmigen uns zwei Fischfilets an der Promenade mit freiem Blick über's Meer und beschließen, morgen einen Ausflug zu den Ruinen zu machen. Ja, auch hier gibt’s wieder welche: Chan Chan ist eher ägyptisch angehaucht, viele Ornamente gibt’s zu sehen, in der großen wiederaufgebauten, komplett restaurierten Wüstenstadt. Moche, am anderen Ende der Stadt wurde erst 1991 entdeckt, die Inkastadt wird gerade von Archäologen freigelegt. Für 10 Sol wandeln wir erst durch das interessante Museum, sehen 2000 Jahre alte Krüge, Textilien und Kunst, lesen mal wieder, wie blutrünstig und eroberungsgeil die Inka waren, doch auch wie clever, geschickt und musisch, ergötzen uns an den bunten Wandmalereien und genießen den Tag in der „Star-Wars, Part I“- Umgebung. Fehlt nur noch R2D2 - und natürlich Hayden Christensen.

HUARAZ + CANYON DE PATO

Mittwoch, 29.06.2011

Im steinbruch

„Einzigartig. Ungewöhnlich. Einsam.“ - Georgs Antwort auf meine Frage nach drei überzeugenden Adjektiven, warum diese schlimme Schüttel-dich-durch-und-halte-kurz-vorm-Brechen-an-Strecke nun wirklich sein musste.

„Öde. Steinig. Trocken.“, halte ich dagegen, und weil ich es nie bei nur drei Worten belassen kann, auch wenn es der Dramaturgie förderlich gewesen wäre, schiebe ich noch hinterher: „Steinbruch. Meine Assoziation. Sorry, ich mein, selbst die Kakteen sind hier vertrocknet!“. Da haben wir noch Overlander getroffen, die meinten diese Strecke wäre nun wirklich „allererste Sahne. Sensationell“. Da sieht man mal wieder, WIE verschieden die Menschen so sind. Bunt ist schön, Grün ist schön, Pflanzen, Tiere, Dickicht, Meer, Dschungel, Leben, das ist schön. Aber Grau? Dunkelgraue Trockenheit? Steine, Schotter, Schlaglöcher? Gar nicht schön! Kann da nur für mich sprechen. Nicht nur, dass mein Körper nach dem ersten Drittel der Fahrt, (30 Km) nach dem Sport-BH schreit, nein, selbst in der Flasche Wasser ist kein Sprudel mehr drinnen. So sieht´s aus. Und das, wo wir doch einfach auf der Panamericana hätten bleiben können.

Schatzi jedoch grinst (der Standard-Spruch hierbei lautet: „Dafür haben wir doch dieses Auto, Hase!“) und fährt mit Freude am Fahren weiter. Ach Mann, heute ist einer der Tage, an denen ich mich nun wirklich frage: „Wieso nur? Wieso nochmal machen wir das?“ Hatten wir doch Zuhause eine wunderbar weiche, bequeme, absolut statische Couch, mein Badezimmer war ein duftend sprudelnder Wellness-Tempel und der 250°-Umluft-Ofen hat wunderbar knusprige Lasagne hervorgezaubert. Ganz zu schweigen von meiner wundervollen Familie und den fantastischen Freunden um´s Eck, die mein Leben bereichern, erheitern und mit Freude erfüllen...!

Oh, da fällts mir wieder ein: Erlebnisse. Abenteuer. Erfahrung. Das war´s. Auch drei Stichworte, die ich unbedingt in mein Leben integrieren wollte. Simmt ja, manchmal vergisst man das einfach... Doch muss das mit der Schüttelstrecke denn wirklich sein? Und das, wo meine Erkältung noch nicht wirklich auskuriert ist?

Da meldet sich unser Navigationssystem „Garmina“ zu Wort, „Biiiieeep!“, vorwurfsvoll hört auch sie sich an, da blinkt sie auch schon rot auf – was soll ich sagen: ein perfekter Kontrast zu mir, ich bin nämlich Weiß. Zusammen ergeben wir dann die Farben der Flagge Perus. Rot-weiß-rot. Na, sagenhaft. Wie passend.
Nun stehen wir mitten im riesigen Steinbruch, und ich sag: „Buenas Noches, Kaktus, Wüste und Schlagloch!“.

LAGUNA PARON + HATUN MATCHAY

Freitag, 01.07.2011

im hÖhentraining

„Per coincidence? You came here by coincidence? No way! It´s the most famous climbing spot in whole Peru. It´s the world´s highest!“ - Wir sehen uns an, antworten synchron: „Oh, well - how nice!“. („Ihr seid per Zufall hierhergekommen? Das kann nicht sein!? Das hier ist das bekannteste Sportklettergebiet Perus. Das höchste der Welt!“ - „Oh, na dann - wie schön!“).

Was soll ich sagen - wir Banausen! Welch glücklicher Zufall, dürfen wir nun unter der Kletterelite weilen. Das glaubt uns nun auch keiner, aber auf dem Weg von der wundervoll türkisen Laguna Paron (2 Nächte im Nationalpark, 5 Sol mit freier Sicht auf den Gletscher) bogen wir, wie immer, in eine unscheinbar aussehende Schotterstraße, fuhren um die fünf Kilometer Piste in der Hoffnung einen einsamen Übernachtungsplatz zu finden. Und was sehen wir am Ende, nach stolzen 25 Minuten für ein paar Kilometer: Steinhütte, davor sechs bunte Zelte! Häh? Was geht jetzt hier ab, war die Frage – und um ehrlich zu sein, die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ich mein, wir wollten ja eigentlich alleine sein.

Doch bald ist das Rätsel gelöst, Rodney aus USA klärt uns auf. Hierbei muss gesagt werden, es ist schweinekalt, mir als Schönwetter-Strandmensch fehlt da einfach das Verständnis. Die große Frage ist: wie kann man sich das nur freiwillig antun? In dieser Höhe frieren? Campen? Im Zelt? Mit eiskalten Fingerchen in der Wand hängen? Mit Mütze schlafen? - Wo es doch in Europa gerade Sommer hat?? Nun gut, die Elite hier sieht das anders. Ganz anders. Hier gilt das Motto: Nur die Harten kommen in den (Kletter-)Garten! Hardcore-People, sag ich euch!

Die wirklich netten Leutchen sind genauso erstaunt darüber, dass wir dieses tolle, herausfordernde, megafaszinierende höchste Sportklettergebiet Südamerikas, und nun wissen wir auch den Namen, das „Hatun Matchay“-Areal nicht kennen. Die Hälfte der Anwesenden opfert doch tatsächlich den heimischen Sommer-Jahresurlaub, um hier zu sein. Schlotternd auf der Hütte. Vom Flughafen aus direkt hierher! Fünf Wochen Training! Die 4300 Meter Höhe sei einfach perfekt. Also, für sie.

Selbst Krankheiten machen uns hier nichts aus: Marcel, 23 aus Frankreich hat Magen-Darm-Grippe, blockiert morgens vor dem Frühstück erst mal das Klo, die Geräuschbeschreibung schenk ich mir hier mal, danach packt er den Rucksack, nix wie an den Fels. Michelle, 31 aus Quebec, Kanada zeigt mir ihren beim Eisklettern vor eineinhalb Monaten komplett gecrashten, doppelt so dicken Finger (ein Felsen fiel drauf), zack, macht sie ein wenig Salbe drauf, damit der Eiter nicht so rausplatzt und ab geht’s zum Klettern.

Auch Marcus, 25, Australier macht auf Indianer: gucke ich an ihm herab, sehe ich dicke Tapes um beide Fersen gewickelt, einen Schuh hat er ausgezogen, trotz Kälte (ach so, ich vergass, die macht uns ja allen nix), da sehe ich auch Blasenpflaster um die Zehen. Was ist passiert?, frage ich ihn. „Well“, meint er „I got mugged. I was running on the beach near Huanchaco, I mean, there was nobody, and suddenly there came this two guys with machetes. They wanted money. I said: Are you nuts? I don´t have money with me. I am exercising. - So I gave them my watch, my wedding ring and my shoes. My only hiking shoes. The worst of it all is: I am wearing size 14 (dt. Größe 46, Anm. der Redaktion). You know how tall the peruans are? I couldn´t find any shoes in my size. So I am hiking and climbing with these beach-shoes, my only second pair I´m having with me. We are backpacking for another 4 months. But hopefully, the argentinians are taller and I can find some new shoes there.“ (War joggen am Strand, wurde von zwei Peruanern mit Macheten abgezogen, musste Uhr, Ring und einzigen Schuhe „abgeben“. Leider in hier unüblicher 46er Größe, drum auch erfolglos im Nachkaufen) - Was soll ich dazu sagen? Arme Sau!

Wir genießen zwei Tage trotz elendiger Kälte, erwandern den 5000-Meter-Gipfel des Conococha, erhaschen dabei einen eindrucksvollen Rundumblick auf die weißen Cordilleren und das Meer, schauen neidvoll auf die wirklich geilen Kletter-Genußrouten vom 5 bis open-End-Bereich, ärgern uns ein wenig ob der Tatsache nach dem verregneten Yosemite die Kletterausrüstung nach Hause geschickt zu haben und quatschen uns ansonsten durch die Hütte am lodernden Kamin. Für uns ist ja Alkohol erlaubt... Fast ein bisschen wie zu Hause im Skiurlaub. Moment – aber wo, verdammt noch mal ist die Sauna!? Oh ja, ich bin ja so ein Weichei - soft, softer, Andrrrrea!

Und weil mir alle so leid tun, spendiere ich sogleich ein gutes, heißes Kartoffelsüppchen, schenke Marcel meine wertvolle Vier-Lagen-Soft-Klorolle, Michelle bekommt ein Tütchen mit abgefüllter Salbe und ein paar Schmerztabletten zum Abschied (obwohl sie sich unverständlicherweise weigert, sie zu nehmen) - nur für Marcus kann ich irgendwie nix tun, wenigstens mag er Gummibärchen.

LIMA

Sonntag, 03.07.2011

club germania

„No problema. Aqui. Manejen aqui... Me Iiamo Julio Larry! Soy de la securidad. Mucho gusto!“ (Hier, fahrt hierhin. Ich bin J.L! Von der Security, freut mich). Wie nett! Gerade sind wir in den „Club Alemania“ in Lima eingebogen. Über Freunde haben wir erfahren, dass man hier als Deutsche kostenlos auf dem Clubgelände parken kann. Nicht nur das! Nach der Erkundungstour, Larry zeigt uns alles, wird losgelegt, denn es ist alles da, was man sich wünschen könnte:

erst kraule ich zwei Stunden im wohl temperierten Schwimmbad, danach geht’s ab in die Sauna! Gestern noch hab ich danach geschrien, und heute schon wird mir der Wunsch erfüllt. Danke, lieber Gott, ach, Danke!

Auch die Soften kommen in den Garten, juhuu! Ich fühle mich wie im Paradies, endlich wieder guter, alter Sport...die Tage vergehen wie im Flug! Jeden Morgen jogge ich meine fünfzehn Runden um den Fußballplatz, danach gibt’s Frühstück, anschließend kurz zum Plaza Vea. Paradies Nummer zwei! Plaza Vea ist der Supermarkt-Traum! Nach den kleinen Mini-Tiendas, die wir nun monatelang hatten, vergeblich auf der Suche nach Tempos, guter Wurst oder Fleisch ist das das Milch-und-Honig-Land! Wir schlemmen. Salami. Emmentaler. Ritter-Sport, die Weiße! Glaubt mir jetzt kein Mensch, wie geil das Zeug schmeckt. Hatten es solange Zeit nicht mehr. Lechzen danach! Sensationell, so ein großer, gut sortierter, blitzend sauberer Supermarkt! Und alles da! ALLES, ich mein wirklich ALLES! Wir sind im gelobten Lebensmittelland und schlagen kräftig zu! Nach der täglichen Einkaufsorgie (inklusive knusprigem Baguette! Baguette!!) geht’s wieder ab ins Schwimmbad, danach in die Sauna. Nur Tennisschläger haben wir keine.
Egal, weiterschwimmen! Weiterschlemmen! Weitermachen!

Zwischendrin ratschen wir mit Julio Larry, seines Zeichens Security-Mann hier am Platz, er sitzt unweit von uns auf seinem Stuhl unter dem Sonnenschirm. Larry ist, wie alle Peruaner, die wir näher kennenlernen durften, einfach klasse: wir führen Endlos-Gespräche, denn auch wenn wir manchmal leider ziemlich wenig verstehen (er versucht es ja despacio, aber...), gibt er einfach nicht auf und erklärt uns fast schon liebevoll und mit Engelsgeduld, was er sagen will. Er bringt uns die Zeitung, lacht mit uns, fotografiert uns fürs Album, zeigt uns Bilder von seiner Familie, lädt uns zu sich nach Hause ein (3-Stöckiges Haus, und sein Papa, ein Ex-Polizist würde den gesamten Tag auf unser Auto aufpassen), bringt uns hiesiges, typisches Essen ans Auto (Maiskolben mit Salado-Queso und Chevice) und ist einfach klasse! Wir lieben Larry!

LIMA II

Dienstag, 05.06.2011

mira! Bus! Escucha! Historia!

„Mira a la derecha! La hermosa catedrale de Lima. Vamos aqui!“ (Schau zur Rechten! Die wunderschöne Kathedrale von Lima), Milagros spricht´s und schon werden wir aus dem Bus gescheucht. Unsere Guia ist ein wenig herrisch, ich find´s lustig, wie sie mit dem Finger wedelt und die Gruppe zusammentreibt. Wir haben uns für eine Tour mit dem Mirabus entschieden, die bekannten zweistöckigen Touri-Busse, die es in jeder größeren Stadt gibt. Für 60 Soles (ca. € 20) dürfen wir Platz nehmen und die Tour beginnt im schönen Stadtteil Miraflores.

Vorbei an gepflegten Blumenbeeten, modernen Wohnhäusern und Chifa (=ChiNa-) Restaurants en Masse geht’s ab ins koloniale Zentrum Limas. Kann mir auch keiner sagen, wieso die Chinesen hier mit Sprachfehler eingezogen sind. Hier heißts nämlich „Chifa“-Town. Ich dachte, die hätten nur ein Problem mit dem R? Offensichtlich nicht nur mit Dem!

Leider spielt das Wetter nicht ganz so mit, es nieselt leicht, dichter Nebel liegt über der Stadt und die Temperaturen könnten von mir aus auch gute 10 Grad höher ausfallen. „Pero eso es normal!“, erklärt uns Milagros lehrerinnenhaft, es sei nun mal Winter und überhaupt der Nebel ist ganze acht Monate hier. Die Altstadt Limas steht seit 1991 unter dem Schutz der UNESCO, wir fahren schachbrettartig angelegte Straßen entlang, bewundern prächtige Bauten, die Innenstadt glänzt trotz oder vielleicht wegen dem Sprühnebel hell in gelben Farbtönen, die Iglesia de San Francisco strahlt amarillo, der Palacio de Torre Tagle gibt sich orange, genauso wie die Universität de San Marco. Der Plaza Mayor haut uns direkt aus den Stühlen, so schön wirkt er in derselben fröhlichen Farbigkeit. Hier am Platz befindet sich auch die berühmte Kathedrale, zwischen 1535 und 1625 erbaut, nach dem Erdbeben von 1746 teilweise restauriert – mit einem Glassarg, in dem der Gründer von Lima und Plünderer von Südamerika, Francisco Pizarro liegt, erklärt uns die Guia. Ihr hinterher trottet die Reisegruppe erst zur prachtvollen Kapelle von Pizarro, ausgekleidet mit feinsten Mosaikteilchen und Marmor aus Italien, danach geht’s quer durch´s Mittelschiff hin zu den Katakomben. Etwas mulmig und unheimlich wird mir zumute, als ich die vielen Totenkopfschädel im Glaskasten erblicke, dahinter die Grabtafeln und eingemauerten Särge.

Die Kirche ist schwer beeindruckend mit ihren unmessbaren Gold- und Silberschätzen, Gräbern, Heiligtümern und Gemälden. Oftmals ist der Pelikan als heiliges Motiv dargestellt, denn wie Jesus Christus opfert er sich selbst zum Besten seiner Kinder. Wenn die Pelikanmami kein Fressen mehr für ihre Jungen finden kann, pickt sie sich selbst solange wund, bis ihr eigenes Blut fließt und die Kleinen somit wahrhaftig ihre Nährstoffe aufnehmen können, von ihr trinken und somit überleben.

Milagros gibt die Geschichte Südamerikas, respektive Limas zum Besten und wir sperren die Lauscher auf: schon vor Ankunft der Spanier war der Großraum Lima ein dicht besiedelter Streifen Perus, die ersten Einwohner waren nomadische Jäger, Fischer und Sammler. Danach gab´s die Chavin-Periode (ca. 1000 bis 300 v.Chr.), anschließend die Paracaskultur, gefolgt von den Moche, die ihre beeindruckenden Pyramiden aus Adobe-Lehmziegeln bauten (wie bereits beschrieben und besichtigt, bei „Huanchaco“). Und das nicht schlecht, denn die stehen ja heute noch, trotz Regengüssen, El Nino-Phänomen und Sandstürmen! Etwa zur gleichen Zeit scharrten auch die Nazca ihre Linien in den Wüstensand. In den nächsten vier Jahrhunderten waren einige Kulturen sehr strebsam und fleißig, erbauten Siedlungen wie Chan Chan oder die große Kuelap-Festung.

Die Inkas herrschten vom 12. bis ins frühe 15. Jhdt, erklärt uns Milagros hingebungsvoll und stolz (sehe ich da plötzlich die sanfte Rundung einer Inka-Nase in ihrem Gesicht?), und wenn man ihre Erfolge betrachtet ist es erstaunlich, dass sie sich nicht länger halten konnten. Der neunte Inka, Pachacutec, Sohn des Viracocha, kam auf den bloody Geschmack der Will-Mehr-Eroberung, als sein Vater beinahe sein Reich an die expansionshungrigen Chankas (benachbarter Hochlandstamm) verlor. Mit letzter Kraft bäumten die Inkas sich auf, gewannen die entscheidende Schlacht und wurden daraufhin etwas kriegsgeil. Weil ja schon mal so viel gewonnen war, machten sie also weiter auf Bumm-Bumm-Meins und unterwarfen in den nächsten Jahren so gut wie das gesamte Andenland. 25 Jahre lang wurde also gemetzelt, was die Macheten hergaben und das Reich wuchs bis über die Grenzen Ecuadors, Kolumbiens und Chile hinaus. Nur deswegen können wir heutzutage auf so fantastische Zitadellen wie den Machu Picchu latschen.

Irgendwann kamen dann natürlich auch die Europäer an, um genau zu sein, die ebenfalls eroberungssüchtigen Spanier. Leider schleppten die Ausländer auch hier - wie überall zu Zeiten der Eroberung - Epidemien ein (siehe Kanada-Kapitel „Saint Marie among the Hurons“, da waren´s die Franzosen die beinahe die Indianer ausrotteten, vor lauter angebotener Hilfe und Missionierung). Bald schon griffen Pocken und Co auf komplett Mittel- und Südamerika über, auch die Karibik wurde nicht verschont. 1527 war´s dann mit den gesundheitlichen Abwehrkräften des elften Inka vorbei, Huayna Capac hat´s erwischt. Vorher teilte er noch schnell und unklugerweise sein Reich auf seine beiden Söhne auf. Leider war der Herrscher-Typ aber nicht monogam, sprich die beiden Nachkömmlinge hatten verschiedene Mütter: seinen fruchtbaren Saft verteilte er zwischen Quito und Cusco. Der eine Sohn bekam also den Norden geschenkt, wo er gezeugt wurde, der Andere erbte den Süden. Wie es immer so ist, waren Beide mit der Situation unzufrieden, wollten mehr und der Bürgerkrieg stand vor der Tür.

Nun war das Reich also sowohl durch Krankheiten wie auch durch Raffsucht und inneren Auseinandersetzungen geschwächt, als der segelnde Pizarro 1526 von Panama aus die reichen Küstensiedlungen entdeckte. Er sah die Zitadellen, Pyramiden und Tempel, war erpicht auf das vermutete Gold, auf Reichtümer und Schätze, kehrte um ins Heimatland und brachte genügend Männer und Geld mit, um seinen Eroberungsfeldzug zu starten. 1532 marschierte er ein, zur selben Zeit hatte der eine neue Inkaherrscher Atahualpa gerade seinen Halbbruder besiegt, sprich getötet, anders ging´s ja nicht, damals. Atahualpa wurde von über 200 spanischen Konquistadoren in einen bewaffneten Hinterhalt gelockt, gefangengenommen und letztenendes, trotz großer Geld-und Goldgebote hingerichtet. Scheinheiligerweise sogar offiziell wegen „Brudermordes“, als wär´s den Spaniern nicht egal gewesen.
Wie auch immer, nun stand Pizarro kein indigener Mensch mehr im Goldschatz-Weg und er konnte seinen barbarischen Feldzug zu Ende führen. Trotz gelegentlicher Aufstände musste sich das Inkareicht immer mehr in die hohen Berge und den Dschungel zurückziehen, nie wieder hat es seine Macht zurückerlangt.

Francisco Pizarro war ab sofort der Macker, gründete 1535 Lima, das eigentlich „Rimaq“, nach dem nahegelegenen Fluss benannt war. Doch Quechua-Sprache war nicht des Spaniers Ding, aus „Rimaq“, dem „sprechenden Fluss“ machte er kurzerhand Lima, und ließ sich gleich ein Haus im Zentrum bauen. Klar war das den Peruanern so gar nicht Recht, der Kampf ging also weiter, doch auch hier sollte die harte Hand Pizarros erfolgreicher sein. 1541 wurde aber auch der wilde Francisco mit blutrünstigen und rachsüchtigen 14 Stichen hingemetzelt: der Sohn des Konquistadors Diego de Almagro wars, selber Schuld, denn das Franzerl hatte seinen Vater drei Jahre zuvor getötet.

Die nächsten zwei Jahrhunderte war Lima das Nonplusultra in den Anden, Cusco verkam zur tiefsten stinklangweiligen Provinz. Leider ließen sich die Leute aber bald was ganz Besonderes einfallen, und schwupps, war´s vorbei mit der friedlichen, vergnüglichen Großstadtzeit: im System der „Encomienda“ bekam jeder Siedler ein Stück Land mitsamt der dort lebenden Bevölkerung zugeteilt! Das heißt jetzt tatsächlich und unglaublicherweise, dass die indigene Bevölkerung fast wie in der Sklaverei ausgebeutet wurde. Das, wie soll es anders sein, führte wiederum zum großen Aufstand, doch auch dieses letzte Aufbäumen der Inka wurde blutig niedergeschlagen, der Führer grausam umgebracht.

Bald gab´s nochmal Ärger, diesmal bei den Kolonialherren: Spanien erhob unverschämterweise hohe Steuern und erdreistete sich auch noch was von den Rohstoffquellen abhaben zu wollen. Summa summarum, Stunk, Unruhe und Revolten zwischen allen, einige Unabhängigkeitskriege später gewann Peru eine kurze Schlacht gegen Spanien und verlor eine längere mit Chile. Hin und her gings auch mit Ecuador, doch 1998 gab´s endlich einen Friedensvertrag und jeder hielt sich auch noch dran. Hurra.

Puh, nach soviel Geschichte ist Milagros´ Mund schon ganz fransig und mein Hirn randvoll, die restliche Fahrt durch die Stadt vergeht ziemlich schnell und gerade als sich mein Bauch zu Wort meldet, dürfen wir direkt vor dem MacDonald´s aussteigen.

Alt-Historisches im Hirn, modern-Mayonese-iges im Bauch erfreuen wir uns an der Großstadt und kehren schlau, satt und sitt wieder in unseren Club Germania zurück.

„Mira! La Sauna nos espera!“ (Schau! Die Sauna erwartet uns schon!).

PARACAS + ISLAS BALLESTAS + ICA + NASCA

Freitag, 08.07.2011

what a perfect day...

„Just a perfect day...Oh, it´s such a perfect day“, die Zeile ist jetzt geklaut, doch Lou Reed wird mir vom Grabe aus verzeihen, denke ich. Ich versuche, den Tag in Worten einzufangen und hoffe die Richtigen zu finden: wir erwachen im idyllischen Nationalpark Paracas, in dem wir gestern nachmittag stundenlang über die hellroten Sanddünen cruisten, rauf und runter, an der schroffen Steilklippe entlang, waren die einzigen Besucher des Parks (5 Soles Eintritt) und fanden bald ein schönes Nachtplätzchen eingerahmt von Wüste, Steilklippe und rauschendem Meer.

Gerade weckt mich klangreines Vogelgezwitscher, ich schlage die Augen auf, gehe hinaus und sehe einen Sonnenaufgang, der seines Gleichen sucht. Am Horizont erscheint langsam - wie in Zeitlupe - der helle Sonnenball, das gleissende Weiß spiegelt sich auf dem rauen Mantel der Wasseroberfläche, darüber segeln Pelikane mit Möwen kreischend um die Wette. Am Ufer schlagen die Wellen melodisch rauschend über die mit Algen bedeckten Steinklippen, um dann am flachen roten Sandstrand zu verebben. Ich strecke mich lautstark, lasse mich auf einen Felsen am Beach sinken, ein beleibter Pelikan mit Bier- äh, Fischbauch - setzt sich direkt neben mich, ohne Intimabstand, guckt neugierig, ich blinzle zweimal, atme die frische Salzbrise ein, blicke der Natur ins schöne Auge und fühle mich unendlich frei!

Frei, aber müde. Dem muss Abhilfe geschaffen werden und so verlasse ich die hübsche Szenerie für einen Moment, steige zurück ins Auto, wecke Georg (untypischerweise) und öffne die Kaffee-Dose. Heute steht noch eine Bootstour auf dem Programm, so sagen wir Pelikan und Co bei dampfendem Café Good-Bye und brausen zum Hafen von Paracas. Für 41 Soles (ca. 10 Euro) steigen wir auf die „Fabiola“, unser Speedboat für heute. In einer knappen Stunde rauschen wir über die See, vorbei an „Dünenmalerei“, wird uns jedenfalls so verkauft. Nicht, dass ich es nicht glauben will, dennoch bin ich beim Anblick des Kerzenständers (unser Guide benutzt den Ausdruck „dreizackiger Kandelaber“), der „vor Jahrhunderten von den Inka dort eingeritzt“ worden sein soll etwas skeptisch. Ich meine, wer versichert uns denn, dass es nicht einfach eine Einladung der Spanier zur ausschweifenden Party 1688 war, das Weinglas und die Nymphe haben sie dann aber aus katholischen Gründen mal schnell wegretuschiert. Also ehrlich, ein Kerzenständer!

Wir brettern am dreiarmigen Lüster vorbei, die erste Attraktion unserer kurzen Seereise. Nach schnellen weiteren 35 Minuten erreichen wir die „Galapagos-Inseln des kleinen Mannes“. Ja, es heißt wirklich so. Lange haben Georg und ich überlegt, ob wir von Quito aus eine Reise zu den Galapagos buchen sollen, doch 4000 Dollar für eine Woche schien uns einfach unangebracht überteuert. Echsen und Kröten hin oder her. Es soll Leute geben, die nach eiskalten, harten Verhandlungen mit Reisebüro und Schiffsorganisation, die Rechnung durch den Fleischwolf gedreht tatsächlich einen Spitzenpreis von 2800 Dollar pro Person aushandeln konnten – doch auch das ist uns für sieben Tage zu viel Dinero. Deshalb: „Islas Ballestas“.

Und tatsächlich, wir werden nicht enttäuscht. Die wilden, rauen Inseln stehen schroff aus dem tosenden Meer heraus, Seesterne kleben an den gischtfeuchten Klippen, ein grauer Teppich aus Vögeln wabert darauf. Die treten sich gegenseitig auf die Krallen, so viele sind es! Möwen, Tölpel und Pelikane kreisen über uns, hoffentlich hat keiner von denen Durchfall und kackt uns Guano auf die Mütze! Wir tuckern in Zeitlupe an den Felsformationen vorbei, Fotopause, ich blicke nach oben. Batsch, meinen Nachbarn mit dem 50 Zentimeter-Teleobjektiv hat´s voll erwischt, er flucht und wischt sich die weiße Pampe von der North Face Jacke, seine Frau gluckst und schießt schnell ein paar Fotos mit ihrer kleinen Digicam davon.

Jahrhundertelang hat das Wasser die Felsen bearbeitet, es haben sich geologische Formen, Rundbögen im Stein gebildet. Und wohin wir auch blicken, es wuselt darauf – große Pelikane sitzen majestätisch an der obersten Kante in der ersten Reihe, darunter kreischende weißgraue Möwen, zwischendrin schwarze stromlinienförmige Kormorane. Und dort, ganz unscheinbar unter all den vielen Vögeln watscheln lustige, kleine Humboldt-Pinguine über die nasse Bühne. Im dunklen Frack äußerst elegant und doch so witzig, wie sie in der Gruppe wichtig um den Felsen wackeln. Wir tuckern weiter zur nächsten steilen Felslandschaft und sehen dicke, braune Seelöwen, sie grunzen, stupsen sich gegenseitig mit den Schnauzen, das wachsige Fell glänzt in der Sonne auf, die fetten Leiber halten sie umschlungen, bandscheibenvorfallmäßig verdreht. Wir sind verzaubert, ganz ursprüngliche Natur, die uns da umgibt!

Wieder an Land machen wir uns auf nach Huacachina, nahe Ica. Ein großer Sandkasten erwartet uns, Dünen soweit das Auge reicht. Die Sonne sticht hier im Landesinneren mit brennenden 35 Grad auf uns herunter, kein Windhauch streichelt unsere Haut, doch wir genießen es, nach all der Kälte an der Küste. Für fünf Soles leihen wir uns beim kommunikativen Jesus (ja, heißt wirklich so) ein Sandboard und steigen die Dünen hinauf. Schweißtreibend anstrengend, man kennt das ja vom Standjogging, aber bergauf! Verdammt – wo ist der Lift?
Klatschnass schnallen wir oben das Brett an die Füße und gleiten den Hang hinunter. Bei Weitem nicht so schnell wie auf Schnee, der Sand bremst trotz Wachsschicht auf dem Board ganz ordentlich und wir müssen eine viel steilere Düne erklimmen, um mit etwas Flow ein paar Bögen schwingen zu können. Auf der Höchsten angekommen erblicken meine Augen weiteres Erfreuliches: im Tal, links neben der kleinen Oase trabt ein Pferd mit Reiter! Oh la, la, da muss ich gleich hinunter und nachfragen. Innerlich juchzend stoße ich mich ab, genieße die Sonne, den Sand und das Snowboard-Gefühl im T-Shirt und ohne 10-Lagen-Skiunterwäsche.

Untenl stellt sich heraus, der trabende Christian hat zwei Privatpferde und auch wenn es nicht üblich ist, so will er mir den Spaß nicht verwehren und bietet an, mit ihm auszureiten! Keine fünfzehn Minuten später, der hilfsbereite Jesus bringt mich gratis im Dünenbuggy zum Gestüt, galoppiere ich mit „Avalancha“ (Lawine), so heißt meine heißblütige Stute, durch den Wüstensand. Glücklicherweise treten wir keine Selbige los.

Unsere Bäckchen sind heiß und rot, Georgs vom Boarden, meine vom Galopp, als wir wieder ins Auto steigen, um unseren Weg fortzusetzen. Zweieinhalb Stunden später staunen wir schon wieder, und zwar über die rätselhaften Linien von Nasca. Über 800 Linien, 300 geometrische Figuren (eine heißt „Astronaut“) und etwa 70 Tier- und Pflanzenzeichnungen (Affen, Eulenköpfe, Blumen) kann man auf der trockenen, mit Felsen übersäten Ebene sehen. Niemand weiß so recht, wie genau sie entstanden und warum, die Meinungen gehen auseinander, eine Theorie besagt, die verblüffenden Zeichnungen seien alte astronomische Kalender, oder aber rituelle Wege, die zu einem Wasser- oder Fruchtbarkeitskult gehören – andere Wissenschaftler meinen, dass es sich um große Sportanlagen handele, um Darstellungen von Schamanen-Träumen oder auch um Landebahnen für Außerirdische. Wir kraxeln für 0,30 Cent auf den Mirador und sehen einen Teil des Spektakels von oben.

Puh, das ist aber nun wirklich genug für einen Tag, wieder im Auto sehen wir rechterhand „La Maison Swissa“ auftauchen, biegen kurzerhand ein, können für 40 Soles über Nacht bleiben, springen noch schnell in den schweizer Pool, danach unter die Dusche und entschlummern angereichert mit erfüllenden Erlebnissen und leichtem Muskelkater ins selige Land der Pinguin-Dünen-Astronauten-Träume!

„It was such a perfect day!“

ANDENHOCHEBENE

Samstag, 09.07.2011

andenhochebene

Immer noch glücklich vom gestrigen Tag erwache ich mit einem Grinsen im Gesicht. Heute geht’s über die Anden nach Cusco. Wir werden einen neuen Höhenrekord mit Vally aufstellen, auf 4600 Metern meditieren wir uns mit Zen-Geschwindigkeit durch´s Hochland. Bei sanften 40 KmH kann man die urwüchsige, archaische Landschaft ja eh erst richtig genießen...! So schleichen wir uns die Berge hoch und an Guanakos ran.

Herden mit Hunderten von Tieren der ungezähmten Lamaverwandten begegnen uns, außerdem Alpacas, die – mal zierlichen, mal kräftigen, mal kurzhaarigen, mal Dreadlock-behängten Tiere beäugen uns vorwitzig, legen den zerzausten Kopf schief, gucken aus großen schwarzen Augen und wackeln mit den runden Stehohren. Ich bin ganz verzückt und hätte hiermit ein neues Haustier für den Petting-Zoo im (gewünschten) Animal-Trailer hinter uns. Doch Georg weigert sich vehement, den Anhänger für meine persönliche Arche Noah hinterherzuziehen! Also lasse ich mich wenigstens bei einer Fotosession gehen und halte sie alle auf Bildern fest. Im Zoom entdecke ich ein überwältigendes Andenpanorama, inklusive schneebedeckter Gipfel, hole das Bild im Sucher näher und sehe rosa Punkte im See. Zu weit oben mittlerweile? Höhenkrank? Ne, kann nicht sein... wir robben uns mit Vally ran und erspähen lachsfarbenes Gefieder! Eine Schar von Flamingos steht einbeinig im Wasser, sie filtern lecker Plankton aus dem See und waten gemächlich vorwärts!

Jetzt fällt mir langsam echt nichts mehr ein: gestern Sportkanal, heute National Geografic-Wildlife-Sender – und das alles in Echt und in Farbe. Reisen ist fantastisch!

CUSCO

Sonntag, 10.07.2011

alpacawunder

„Amiga, que color quieres?“ - „Mh. A ver... quizas el color de arco iris, o... mh... el maron y blanco me gusta tambien. Es dificil“ („Freundin, welche Farbe hättest du gerne?“ - „Mh. Mal sehen...vielleicht die Regenbogenfarbe, oder, mh... braun-weiß gefällt mir auch. Es ist einfach so schwierig!“). Ich bin im Wollewunderland! Umgeben von wunderbar kuschelig-molligen Alpaca-Stricksachen stehe ich im Geschäft, die Auswahl ist riesig, wie soll ich mich da entscheiden! Inmitten der Flauschigkeit!

Also, dann nehm´ ich mal den weißen Pulli mit dem bestickten V-Ausschnitt, die hellblaue Jacke und die dicken weichen Socken mit den lustigen Regenbogenfarben, und vielleicht auch noch die über-Ohr-Mütze, in braun-weiß, bitte. Naja, und die Handschuhe für die reduzierten zehn Soles auch, por favor.

Der lange Shopping-Entzug durch die Reise macht sich deutlich bemerkbar, doch zum Glück ohne kritische Konsequenzen. Die ganze Tüte Wollesachen für totale Wärme von unten bis oben bekomme ich hier in Cusco für preisgünstige 135 Soles (= ca. 33 Euro). Echte Alpaca-Heizung!

Nach ausgiebigem Stadtbummel und Besichtigung diverser Kirchen spazieren wir durch die schmalen Gässchen und steilen Straßen, das dunkle Kopfsteinpflaster ist stellenweise so rutschig, dass wir uns aneinander festhalten müssen. Die gestrige Einfahrt in die City war reine Katastrophe, so verfranst haben wir uns in dem ganzen Jahr Reisen noch nirgends. Cusco ist eine einzige Einbahnstraße! Wir hatten die Koordinaten für den Campground „Quinta Lala“ sorgfältig eingegeben, doch unser Garmin war irgendwie geisteskrank. Wir sollten auf Steintreppen abbiegen, durch Inkamauern brechen und schlussendlich durch eine Kirche düsen. Nach zwei nervigen Stunden „Innenstadterkundung mit Toyota“, unendlichen One-Ways, die ausschließlich nach rechts befahrbar waren, biegen wir - einmal ist keinmal - verbotenerweise links ab, und siehe da...der Weg zum Campground scheint geebnet. Zwischendrin sind wir in einer Zeitschleife gefangen: nach zwanzigmaliger Umrundung des Plazas de Armas, elfmaliger Sichtung der „Iglesia de La Compania de Jesus“ und achtmaliger Vorbeifahrt am „Plaza Regocijo“ hätten wir eigentlich auf den Spaziergang am nächsten Tag verzichten können. Wir kannten ja schon alles. Doch zu Fuß lässt sich einfach besser shoppen!

Wir bleiben ganze vier Tage in der schönen Stadt, treffen Micha und Tanja wieder, die wir das letzte Mal auf der Baja California vor Monaten gesehen haben. Witzigerweise möchte sie einen Roman eintauschen, der ursprünglich von mir stammt, nachvollziehbar durch fünf Teilzeitbesitzerinnen-Hände ging und somit eigenständig von Belize nach Peru gereist ist. Deutsche Bücher sind wertvolle Handelware!

Wir setzen uns in die Sonne und quatschen, was die Reisegeschichten hergeben. Leider haben sie auch Negatives zu berichten, zweimal schon wurden sie überfallen: kurz vor Bogota rissen zwei Jugendliche um halb neun früh´s die Wagentür auf, hielten unter dem Pulli eine vermeintliche Pistole auf sie gerichtet. Wütend und ungläubig, dass es wirklich eine Waffe ist, griff Tanja an den Pulli, ein Handgemenge entstand, Micha kam zu Hilfe, die Täter flüchteten auf dem Motorrad. Beim zweiten Mal in Ecuador hörten sie morgens um halb sechs komische Geräusche am Fahrzeug aussen, Micha ging nachschauen und hatte sofort von hinten eine Machete an der Gurgel. Reflexartig holte er aus, traf den Angreifer empfindlich, der lief davon, der zweite Räuber schnitt derweil den aussen befindlichen Ersatzreifen ab und machte sich damit aus dem Staub. Micha konnte sein Pech nicht glauben und hetzte den Beiden hinterher, auf offener Straße, rechts ein Kiosk, links eine Reihe wartender Taxifahrer brüllte er den Männern mit dem Taschenmesser fuchtelnd hinterher „Asalto, Rapaz! Ayuda! (Überfall, Raub, Hilfe!). Doch keinen der Anwesenden hat´s interessiert, im Gegenteil, man schaute auffällig absichtlich in die andere Richtung. Auch der Gang zur Polizei war eine Komödie, ihnen wurden sieben Penner vorgeführt, als sie keinen von denen als Bauernopfer identifizieren wollen, winkten die Bullen ab, dann „könnten sie nichts tun“.

Wir klopfen dreimal auf Holz, denn zum großen Glück ist uns in dem Reisejahr gar nichts passiert, ganz im Gegenteil, nur freudige, positive Erfahrungen! Toi, toi, toi!

Die nächsten Tage bewundern wir Bauten und Inka-Steine und feiern mittendrin unser einjähriges Reisejubiläum mit morgendlichem Stadtbummel, nachmittäglichem Cafebesuch, und abendlichem Alpaca-Filet (Rindfleischgeschmack, grob gesagt), angestoßen wird mit Pisco-Sour, der hießigen Spezialität. Der hochprozentige Traubenschnaps aus gleichnamigem Ort wird mit Eiweiß, Limone, Eis und Zuckersirup gemixt und heizt ganz schön ein. Salut! Tagsüber ist es zwar dank der 3800 Metern unsagbar heiß, wir holen uns trotz Lichtschutzfaktor 50 den zweiten Sonnenbrand unserer Reise, abends wird es jedoch empfindlich kalt und ohne dicke Daunenjacke geht gar nichts. Also bei mir. Doch nun bin ich ja sagenhaft ausgerüstet und bestens vorbereitet für lange Cusco-Nächte, denn die Bars, Restaurants und Clubs sind vom Feinsten! Naja, vielleicht sollte ich meine Regenbogen-Socken ausnahmsweise zu Hause lassen...

MACHU PICCHU

Freitag, 15.07.2011

der ganz normale Wahnsinn

„AUFSTEHEN! DAS IST KEIN URLAUB, DAS IST ABENTEUER!!“, brüllt es erbarmungslos laut in mir. Ich schüttele mich, schalte den widerlich tyrannischen Wecker aus und stehe gezwungener maßen auf. Der Spruch, der mir beim schockartigen, ungewohnten Aufschrecken durch´s Hirn spukt, stammt von Vince, den wir bei „Panama Passage“ kennenlernten.

Der Amerikaner reiste zwei Monate lang (freiwillig) mit einem Münchner Motorradfahrer durch Südamerika, der ihn jeden Morgen mit dieser neckischen, possenhaften Gröltirade und einem saftigen Fußtritt gegen sein Zelt weckte. Vince stand drauf und musste grinsen, als er mir die Geschichte erzählte, „well, it was just so funny and he was right - you germans are great!“, schmunzelte er, und „that´s the only sentence I know in german, and I will never forget it!“. Nun ja, ich fühle mich gerade nicht so großartig, da saumüde, fast noch komatös, muss aber in die Gänge kommen, denn heute steht Besonderes an: Machu Picchu!

Gestern karriolten wir in fünf Stunden Schotterstraße von Cusco über Ollantaytambo nach Hidro Electrica. Der Ort, benannt nach dem Wasserkraftwerk ist der Ausgangspunkt und Haltestelle gleichnamiger Bahn nach Aguas Calientes, dem Dorf zu Füßen des Machu Picchu. In Antonio´s Vorhof, cirka 300 Meter neben der Registrierung stellen wir unser Auto ab, ein Tipp von Travellern, denn das Auto in der Nähe der Touri-Attraktion unbeaufsichtigt stehen zu lassen grenzt an grobe Fahrlässigkeit, ach, nennen wir es beim Namen: an geistige Umnachtung. So kommen wir auch noch in den Genuß einer interessanten, aufschlussreichen Kommunikation mit Antonio.

Vor 33 Jahren hier geboren wundert er sich nicht mehr über die zahlungskräftigen Gäste aus aller Welt, die massenhaft Kohle hinblättern, um die Zitadelle zu sehen. Er dagegen verlangt bescheidene zehn Soles, damit wir hier bei ihm nächtigen und morgen den ganzen Tag das Auto in seiner Obhut lassen können. Bei ein paar Bier wird der Abend amüsant, 'Tonio´s Nachbarn, zwei Brüder schauen noch vorbei, um bei ihm ihr Handy aufzuladen, sie wohnen nebenan, also so „mas o menos 40 minutos“ Fußmarsch entfernt. So sitzen wir zu fünft auf dem Baumstamm, der als Bänkchen dient vor seinem Steinhaus mit „Naturboden“ und plaudern, schwafeln und betrinken uns. Ganz wissbegierig stellt er Fragen über unsere bisherige Reise, findet das Ganze sagenhaft und ist höchst interessiert an den Ländern Mittelamerikas. Er selbst würde ja auch so gerne reisen, doch das Geld ist knapp, außerdem möchte er für seinen alten Vater da sein, der auch im Haus wohnt. Welche Musik wir gerne hören? Er hätte alles da, von Pop über Reggae, sein persönliches Hobby, stolz zeigt er uns seine Cd-Sammlung. Prompt legt er Manu Chao ein und ist überrascht, dass wir das in Deutschland auch hören.

München kennt er, „claro!“, entrüstet er sich, „el FC Bayern Munitsch“, Pizzarro spielt doch dort, toller Typ, Peruaner, „wisst ihr, oder?!“, super Fußballer, meint Toni. Der Copa America ist gerade im Gange, das Radio läuft den ganzen Tag, Fußball ist Gesprächsthema Nummer eins! Und „por supuesto“, natürlich ist er im Bilde über unser bayerisches Cerveza! „Fantastica: es genuina, buena, pura!“ Es ist echt, gut und rein! Wir schmunzeln, als Antonio in Fahrt gerät, selbstverständlich kennt er Bavaria! Oktoberfest! Fußball! Autos! Mercedes Benz! Audi! BMW! Es sprudelt direkt aus seinem Mund heraus, hinter jedem Schlagwort ein großes imaginäres Ausrufezeichen! All das kommt doch aus „Alemania“, gute Wurst und Nähmaschinen noch dazu. Da schau her, so bekannt ist Klein-Germany in der ganzen Welt!

Antonio verdient wie die meisten anderen in der Gegend sein Geld als Touristenguide, als Bauaushilfe und beim Kaffeebohnenpflücken, aber das geht leider nur drei Monate im Jahr. Seine Schwestern leben in Cusco und verkaufen Nippes an Touristen, das scheint mehr Geld abzuwerfen, als alle Jobs, die der Bruder so betreibt. Doch das Stadtleben sei nichts für ihn, meint er, „soy contento y feliz aqui, en el campo!“ („bin zufrieden und glücklich hier auf dem Land“). Und jetzt, wo sich sein Stellplatz unter den Wohnmobilreisenden herumspricht, seit zwei Wochen hat er täglich zahlende Kundschaft hier, muss er sich ja keine Sorgen mehr um die Zukunft machen, lacht er froh.

Angeschwipst wackeln wir ins Bett und freuen uns auf den nächsten Tag – und der soll früh beginnen. Wir nehmen die erste Bahn um 7.40 Uhr, müssen vorher allerdings noch das Ticket besorgen, uns registrieren und zur Haltestelle hochwandern.

Die Preise sind phrenetisch und das ist noch geschmeichelt: geisteskranke 18 Dollar löhnen wir für das Zugticket, nach einer guten halben Stunde im Machu Picchu Pueblo angekommen laufen wir einmal quer durch den überdachten Handwerksmarkt, werden von allen Seiten belabert Schnickschnack zu kaufen, kreuzen die belebte Straße, überqueren eine wuselige Brücke, fragen beim Polizisten nochmal nach, ob wir auch richtig sind und erforschen so den Weg zum Ticketschalter. 2000-3000 Touristen täglich werden hier durchgeschleust, und dafür ist die Organisation äußerst stümperhaft.

Endlich beim Boleto-Büro angekommen, stellen wir uns an Stelle fünfzig in der Schlange an. Ein einziger Angestellter thront hinter der Glasscheibe und druckt die Zugangs-Tickets im Wert von 42 Dollar pro Person aus. Nach einer weiteren Stunde halten wir froh unsere Eintrittskarte in der Hand, es ist bereits 9.30 Uhr, nun suchen wir die Busstation. Nochmals entrichten wir 8 Dollar, warten im Menschenstau, werden in den Omnibus gequetscht und nun endlich, endlich sind wir kurz vor Machu Picchu! Wer jetzt denkt, wir wären nun schon drin, hat sich gewaltig geirrt, denn vor dem eigentlichen Eingang warten bereits um die 600 Menschen, alle den weißen Zettel in der Hand und drücken sich durch die zwei Eingangsschranken. Dort wird der Reisepass gescannt (ohne diesen kein Zutritt, Ticket hin oder her), eine kleine Umgebungskarte ausgegeben, der Rucksack durchsucht, und dann, ja dann haben wir es endlich geschafft und stehen um 10.25 Uhr im Areal der verlorenen Stadt. Auch ich komme mir verloren vor, zwischen all den Menschen, im irrsinnigen Gedränge. So schiebt sich die Masse vorwärts, ein Jeder macht sein Postkartenfoto am Standort „Hütte des Verwalters des Grabfelsens“, gleich links nach dem „Entrada“ die Treppen hoch.

Zum Glück für alle verteilt sich der Besucheransturm drinnen dann doch ein wenig, Georg und ich finden ein ruhiges Plätzchen zum Verschnaufen, nach all dem Stress. So setzen wir uns auf eine leicht erreichbare Grünfläche, kauen unser Frühstückssemmerl und genießen den fabelhaften Ausblick auf die Zitadelle. Es ist ohne Frage die spektakulärste archäologische Stätte des Kontinents, vor Allem wegen seiner extravaganten Lage und der imposanten Handwerkskunst seiner Erbauer. Wir staunen über perfekt ineinander passende Steinblöcke der ausladenden Festung, Felsen von gigantischer Größe wurden herbeigeschafft, behauen und aneinandergefügt. „Prrrrr!“ trillert es da ohrenbetäubendund etwas hektisch zu uns hoch. Ein Security-Mann in unschmeichelhaftem Beige-in-Beige pfeift uns herunter und staucht uns zusammen, dummerweise waren wir auf gesperrtem Gebiet, drum war´s auch so ruhig und angenehm menschenleer bei uns auf dem Rasen. "Dios mio! Perdon, senor!"

Egal, die Semmel ist verschlungen, die Kräfte sind zurück, wir kämpfen uns mit Asiaten, Amerikanern, Franzosen und Schweizern durch die Anlage, bewundern deren Größe und Baukunst, hängen uns an eine geführte Gruppe dran und lernen Neues über die Zitadelle: Machu Picchu wurde niemals in Chroniken oder Niederschriften erwähnt und abgesehen von den indigenen Quechua wusste keiner über die Existenz der Anlage Bescheid. Ein Junge aus der Gegend hatte 1911 den amerikanischen Historiker H.Bingham, der eigentlich die verlorene Stadt von Vilcabamba suchte, hierhergeführt. Die Preisfrage lautet nach wie vor: wer, wie, was - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm.

Doch auch wer frägt, bekommt möglicherweise keine richtige Antwort auf das Mysterium. Manche glauben, Machu Picchu sei ein letzter Versuch gewesen, versteckt auf dem Berg die Inkakultur am Leben zu erhalten, andere meinen, es wäre ein königlicher Schlupfwinkel gewesen. Was auch immer davon stimmt: die Zitadelle scheint auf jeden Fall von großer Bedeutung gewesen zu sein, ansonsten hätte sich keiner die beachtliche Mühe solch famoser, qualitativ hochwertiger Steinmetzarbeiten gemacht. Monumental!

Nach 14.00 Uhr wird’s jedoch unerträglich eng zwischen all den Menschen in den labyrinthartigen Gängen, sodass wir zugunsten unserer Nerven die Entscheidung fällen, uns zurück zum Ausgang durchzuboxen und die Erinnerung an den schönen, illegal-einsamen, ruhigen Platz mit Aussicht vom Morgen zu erhalten. Immerhin, trotz der schmerzhaften 68 Dollar (wir sind zurück gelaufen und haben uns so die 20 $ Rückfahrtkosten gespart!): wir hatten Kaiserwetter und eine angenehm-einwandfreie Sicht auf den berühmt-beeindruckenden Machu Picchu, gekröhnt vom Schinken-Käsesemmerl.

Ein Hoch auf den Inka-Architekten, das Aufstehen hat sich gelohnt!

CANYON DE COLCA

Freitag, 15.07.2011

des kondor´s kreuz

TSCHCHCHCHCH...tschchchchch... - ich drehe mich um, die Ohren gespitzt. Scotty´s Lauscher können meinen nicht mal das Wasser reichen! Ein eigenartiger Sound. So nahe. Ich zucke kurz zusammen, im Augenwinkel sehe ich links oben einen dunklen Schatten.

Dann durchströmt mich ein archaisches Gefühl: keinen halben Meter entfernt segelt ein riesiger Andenkondor elegant an mir vorbei. Tschchchhchc...noch einer. Er ist so nah, ich kann jede Feder zählen, die weichen Flusen vibrieren im Wind, jetzt stellt er den Aussenflügel nach links und dreht ab. Wer hätte gedacht, dass die beim Fliegen solch laute Töne produzieren. Tschchch – ein Dritter. Und es kommen noch mehr, sie nutzen die perfekte Thermik. Gerade geht die Sonne auf, im Canyon de Colca, wir sind frühzeitig aufgestanden, haben direkt am Parkplatz des „Cruz del Condor“ geschlafen, sind somit die Ersten, die die Tiere aufwachen sehen. Die ganze Gruppe dreht noch ein paar Runden über uns, direkt über unseren Köpfen, sie beäugen uns kritisch, sperren die Schnäbel auf. Wie sie so hektisch den Hals drehen, erinnern sie mich an die Späher von „Herr der Ringe“.

Die Alten, erkennbar am grauen Hals und weißem Rückengefieder, fast wie bei den Menschen, lassen es ruhiger angehen. Gemeinschaftlich wärmt man sich bei ein paar morgendlichen Gymnastikrunden über dem 3000 Meter tiefen Canyon auf, wundert sich über die Menschen, die nach oben fotografieren und macht sich alsbald zum Frühstück auf. Die aasfressenden Geierverwandten sind mit bis zu drei Meter Flügelspannweite die Größten ihrer Art. Wir haben seltenes Glück, sie so nahe erleben zu dürfen, ab 10.00 Uhr verduften sie auch wieder in der Ferne und wir schaukeln den hinreissenden Canyonweg zurück, bewundern die umfassendsten Inkaterrassen ganz Südamerikas und sind nach knappen fünf Stunden in Arequipa angelangt. (Normalerweise kostet der Eintritt zum Nationalpark $ 13,50, doch nachts um 23.00 Uhr wollte keiner was von uns und die Schranke war offen).

AREQUIPA

Mittwoch, 20.07.2011

Eier! Wir brauchen Eier!
- kahn, ich bin voll bei dir

„And remember: always take a taxi back from the city!“, gibt uns die alternde Rezeptionistin des „Hotel Mercedes“ in Arequipa noch mütterlich mit auf den Weg. Immer diese Panikmache, das ärgert mich! „There are always robberies in the area, be really careful, don´t walk in darkness, we always recommend this!“. Ne, die Robberies waren nicht unser Problem, eher die Autolis...

„Huuuuup. Tuuuuuuut. Huuuuup.“ - die Autofahrer machen mich schlichtweg wahnsinnig mit ihrem Gehupe! Das lernt man wohl hier in der Fahrschule als Allheilmittel. Wobei, wenn ich genau nachdenke, habe ich auf dem gesamten Kontinent bisher noch keine einzige Fahrschule entdeckt. Das könnte der Schlüssel zum Verständnis sein. Doch, nein, ich mag nicht mehr.

Zweimal beinahe angefahren, da hört es sich auf mit dem Nachsichts-Tralalala. Ja, wie man merkt, bin ich blendender Laune, heute. Schon dreierlei Taxis habe ich mittlerweile mit der flachen Hand auf den Kofferraum, respektive Seitenscheibe geschlagen, weil die mir beinahe über den Fuss gefahren wären. Aua! Jetzt nicht der Fuß, sondern die Hand.

Ich bin schon soweit, mir einfach einen Karton Eier zu besorgen und wild, halt nein, gezielt drauf los zu werfen, vielleicht hört es dann mal auf, mit der ständigen Schneiderei, nicht-über-die-Straße-gehen-lassen, scheiß auf Zebrastreifen, Ampel oder Polizisten. Das scheint der Papa dann auch an den Sohnemann weiterzugeben: wenn du einmal nicht weiterweißt, oder aber auch die Bremse nicht finden kannst unter all den Pedalen am Fuss, dann hau´ einfach heftig auf die Hupe. So....HUUUUUUP. Und gleich nochmal HUUUUP. Und immer schön drauf halten! Huuuup! DAS musst du können, aus dem FF!

Wir genießen trotz Hup-Tut-180-Dezibel-Wahnsinn die prächtige in der Sonne glitzernde Kolonialstadt, die kann ja nix dafür, schlendern die paar hundert Meter von unserem blau getünchten Hotel „El Mercedes“ (Stellplatz 44 Soles) hin zur Mitte der weißen Stadt. Der perfekt kegelförmige Vulkan El Misti erhebt sich prominent hinter der aus glänzendem hellen, charakteristischen Sillargestein errichteten Kathedrale. Die Einheimischen verraten uns auf einer Bank ihr Sprichwort: „Als sich der Mond von der Erde getrennt hat, hat er vergessen, Arequipa mitzunehmen“. Pah! Damals gab´s auch noch keine Autos!

An der Plaza de Armas spazieren wir in die ansehnliche Kathedrale, mieten uns für 10 Soles einen Guide (plus 10 Sol Eintritt), genießen die merkwürdige Ruhe und staunen nicht schlecht über die grandiose, helle Kirche und ihre bestens ausgearbeiteten prunkvollen Schmuckstücke. Zum Abschluss der Rundtour geht’s noch auf´s Dach und es bietet sich uns ein hinreissender 360 Grad-Rundumblick über die City und die umliegenden Vulkane. Mit Hupkonzert gratis. Na, hier oben kann einem wenigstens nichts passieren.

Von wegen Überfall – Überfahrt!

Wir sehen traumhaft protzige Innenhöfe mit alten Fresken all over, dinieren in hübsch dekorierten Cafes, genießen bestens gewählte Happy Hours (15.00-19.00, 2 Mojitos 8 Sol), und schlendern zum würdigen Abschluss am nächsten Tag ins Monasterio Santa Catalina (Eintritt 35 Sol). Die alte reiche Witwe hat sich da was ganz Besonderes einfallen lassen: bereits 1580 gründete sie ihr Kloster, und aquirierte hauptsächlich Töchter aus gutem Hause für ihr Monasterio. So konnte sie es sich leisten, eine eigene Zitadelle in Arequipa zu erbauen, quasi eine Stadt in der Stadt. Die aus den reichsten spanischen Familien ihrer Zeit stammenden Nonnen konnten so in gewohntem Stil weiterleben. Es ist ein faszinierender, meditativer Ort, wir tauchen ein in eine völlig andere Welt, sehen gewundene Straßen, rot und blau bemalte Gässchen, versteckte Treppchen, große Plätze, malerische Innenhöfe und asketische Wohnviertel – und wundern uns schon fast über die Stille, die Abstinenz von Hup-Lärm.

Jede Nonne hatte ihre eigene „Zelle“, wie es auf dem Infoblatt beschrieben ist. Ich würde eher sagen, ein luxuriöses 2-Zimmer-Appartement, mit Küche, Abstellkammer und Allem drum und dran. Die fröhlichen Novizinnen hatten ein eigenes beheiztes Schwimmbad, mehrere Plazas vor Kirchen mit romantischen Steinbänkchen, eine große Kantine und (durch Holzgitter) auch Kommunikation mit der Aussenwelt. Überdies durfte man eigenes Personal einstellen! An jeder Wohnungstür prangt der Name der jeweiligen Bewohnerin, eingerichtet wurde nach persönlichem Geschmack, die Eine mochte es bunt, die Andere eher kuschelig. Wie eine altertümliche Luxus-WG. Wir sehen Plüschsofas und Waschbecken, kunstvoll bemalte Fenster und Wände. Natürlich ist in jeder Zelle auch ein eigener, persönlicher Altar angebracht.

Die Dimension der Zitadelle ist gewaltig und wir verschätzen und völlig in der Zeit. Ganze vier Stunden stromern wir durch die stille, beschauliche Anlage, machen ein Päuschen am Plaza hier und setzen uns aufs Bänkchen neben dem Brunnen da und sind futsch und weg von der Dekadenz der Nonnen!
Nach fast drei Jahrhunderten der hedonistischen Herangehensweise kam dann leider eine strenge Dominikanernonne an und setzte einen Schlussstrich unter das Lotterleben.

Wieder draussen wünsche ich mir nur eins: Eier! Ich brauch´ Eier!

TITICACASEE

Donnerstag, 21.07.2011

Die totora Crew

„Buenas dias, senores y senoras. Hoy vamos a visitar los Islas Flotantes y la Isla Taquila. Hace buen tiempo y les deseo un buen viaje!“. Die Luft hier auf 3800 Metern am Titicacasee ist kalt und wirkt auf magische weise klar. Es ist 7.00 Uhr morgens und wir haben uns gerade auf dem Deck des Bootes niedergelassen, das uns auf die schwimmenden Inseln bringen wird. Jose spricht ins Mikro und begrüsst uns an Board.

Es ist schon hellichter Tag und die gleissende Sonne bricht sich faszinierend im dunklen Wasser des berühmten Sees, wir passieren grüngelbes Seegras, sehen Puno langsam hinter uns verschwinden und goldene Berge zu beiden Seiten auftauchen. Unser Guide erklärt uns den Begriff „Lago Titicaca“: er setzt sich aus zwei Ursprache-Quechua-Worten zusammen, dem „tuti“ (=Titi), was „Puma“ bedeutet und „kaka“, gleich „grau“ - „grauer Puma“!

Etwa eine ruhige Seestunde später tuckern wir den einzigartigen aus Schilf erbauten Inseln entgegen. Die Uros haben nicht lange gefackelt, als die kriegerischen Inka und Collas ihnen den Festlandboden streitig machten, und erbauten kurzerhand im See ihren eigenen Grund und Boden. Dazu schneiden sie aus der Tiefe des Wassers großzügig Wurzeln des Totora-Schilfs ab, teilen es in gleichförmige Blöcke von etwa ein mal einem Meter ab und binden diese Quadrate mithilfe von Pflöcken und Seilen aneinander. So wird eine schwimmende Heimat gebastelt.

Anschließend legen sie peu á peu neues Schilfrohr darauf, bis eine totale Höhe von etwa zwei bis drei Metern erreicht ist. Durch Tanzen werden die frischen Gräser festgetreten und so neuer, tragender Boden erschaffen. Um die 20 Jahre hält so eine Insel und wird von bis zu fünf Familien bewohnt, erzählt uns Esteban, das Oberhaupt der ersten Isla. Praktisch auch, dass man mit der ganzen Bodenfläche umziehen kann, sollten sich die Nachbarn als Idioten rausstellen.

Der Stamm der Uros zählt um die 2000 Menschen, die ihr Leben auf dem schwimmenden Untergrund verbringen, es gibt Schule, Geschäfte, Restaurants und natürlich viele Hütten. Wir dürfen in eine hineinschauen und sind erstaunt: klein, aber fein – selbst ein Fernseher prangt neben dem etwas pieksig wirkenden Schilf-Bett. Gekocht wird hinter dem Haus, auf einer gut befestigten Feuerstelle, denn man kann sich vorstellen, wie brandgefährlich das sein kann! Wer will schon seine Heimat abfackeln wegen ein paar gekochten Eiern?

Wir bewundern die farbenfrohe, fast schon neonstichige Tracht der Frauen, die Röcke schwingen weit und federnd in knalligem Orange und Gelb, die Blusen sind üppig bestickt, nur die hellen Hüte sind eher schlicht gehalten. Die meisten Frauen laufen barfuss oder in offenen Sandalen auf dem trockenen Gras herum, das sich lustigerweise jedes mal bewegt, wenn einer drauf geht. Federnder Model-Gang für alle! Heidi, perfekte Location für die nächste Top-Moppel-Show!

Nach einer Runde durch die (Show-)Häuser geht’s noch auf den suspekten Mirador, auch ganz aus Stroh gebaut, der – noch furchteinflössender – auch wirklich nur vier Personen trägt. Esteban hat ein wachsames Auge auf seinen Aussichtspunkt, nicht, dass der den Abgang macht, mit uns drauf.

Etwas enttäuscht über unser schläfriges Kaufverhalten gucken die Männer der Insel uns grimmig an, doch just in dem Augenblick entscheidet sich die Französin links von mir dazu, sich ein besticktes Tuch zu kaufen. Esteban beugt sich zum Boden, holt einen trockenen Strohhalm zu Hilfe und ritzt sich die Rechnung für´s Wechselgeld in den Unterarm. Als die Zahl feststeht flüstert er es Serafina, seiner bildhübschen Aymara-Frau ins Ohr und die lächelt ihn selig an.

Nun treten wir in etwas schaukeligen weiteren zwei Stunden den langen Weg zur Isla Taquila an, mittlerweile ist es elf Uhr und die hoch am Horizont stehende Sonne überflutet den Titicacasee, meine Backen brennen, die Haut sticht, nach einer halben Stunde oben wird es Zeit, Schatten unter Deck zu suchen. Die Temperaturunterschiede hier im Hochland sind heftig: nachts haben wir bis zu MInus drei Grad und ich schlafe mit Fleecemütze im Auto, tagsüber erwärmt die Sonne die Luft auf heiße 28 Grad!

Leider ist unsere zweite Anlaufstelle nicht halb so beeindruckend, wie der erste Halt. Taquila ist mega-touristisch, zehn Boote kamen vor uns an, wir stehen Schlange am Eingang der Insel! Nach kurzen zwanzig Schritten schon werden wir von kleinen Mädchen in roter Tracht mit offener Hand angebettelt, ein jammernder „por favor, por favor“-Ton rinnt aus ihren Kehlen, drei Meter weiter stößt ein vierjähriger Junge mit lustiger rotbrauner Zipfelmütze „Foto! Foto!“ heißer hervor und schiebt mir zeitgleich seine offene Patschehand in den Bauch und will gar nicht mehr von uns weichen.

Extrem aufdringliches Anschnorren. Von allen Seiten wird angepumpt, um eine Gabe gebeten, erfleht nahezu, was Mimik und Stimmen hergeben. Jeweils links und rechts der Steintreppen verkaufen Frauen mit bunten Röcken aber dunklen Tüchern ums Gesicht Selbstgemachtes, von Schmuck über Mützen bis hin zu Gürteln ist alles zu haben - was ja wunderschön ist, an und für sich. Würde man sich nicht wie auf einer Kaffeefahrt vorkommen, weil eine Jede an uns appelliert, ja auffordert, fast schon beschwört, um Gottes Willen jetzt sofort etwas zu kaufen. Als ich höflich verneine, zischt eine wütend etwas hervor und ich komme mir schon verflucht und verwunschen vor! Zwischendrin laufen die Männer hart arbeitend - helle Hemden in schwarzen Hosen steckend - mit reich bestickten breiten Gürteln um die schmalen Hüften an uns vorbei, Bastkörbe auf dem Rücken, auf dem Kopf verschiedenartige Zipfelmützen jeglicher Couleur.

Endlich oben im Dorfkern angekommen ist die Aussicht zwar bezaubernd, der stattliche Titicacasee liegt azul-schimmernd vor uns, Himmel und Binnensee bilden ein einheitliches Ganzes, der Anblick ist effektvoll, doch die Laune ob der Bettelei leider auch etwas gereizt. Die Unterzuckerung tut da ihr Übriges und ich bin froh, als wir endlich das Restaurant betreten und mein Bauch wieder etwas Stärkung bekommt.

Das inkludierte Essen ist hervorragend, die Stimmung steigt, erst Quinoa-(auch Inkakorn genanntes)-Süppchen, dann gebratene Forelle kredenzt an Reis, Papas Fritas und Gemüse, gekrönt von Munja-Koka-Tee. Der Tee soll uns helfen, mit der Höhe fertig zu werden, der Geschmack erinnert eher an Pfefferminz-Kamille-Gras-Bitter-Tee, also nix Besonderes. Eher Kuh-Cocktail. Die Männer hier haben alle einen kleinen bunten Beutel um die Schulter hängen, greifen hin und wieder hinein und ziehen ein getrocknetes, abgeripptes Koka-Blatt heraus, schieben es sich in die schon volle Backe und kauen darauf bis zu vier Stunden herum.

Koka ist hier und in Bolivien legal, hat eine lange Geschichte in der Kultur der Inka und gehört seit jeher zur peruanischen und bolivianischen Kultur, schon die Liebesgöttin der Inka wurde auf alten Zeichnungen mit Kokablättern in den Händen dargestellt.

Kein soziales Beisammensein ohne Kauen. Höhe, Hunger, Kälte und stundenlange Arbeit wurden und werden so erträglich. Die unbehandelten Blätter, günstig erhältlich auf jedem Markt in der Gegend, sind weder suchtauslösend noch schädlich und sollen Kalzium, Eisen und Vitamine enthalten. Aber natürlich nicht zu verwechseln mit dem Derivat Kokain, erklärt uns Jose.

Nachdem wir nun also unseren Munja(Minze)-Koka-Tee ausgeschlürft haben, lernen wir noch Interessantes über die Kopfbedeckungen der Inselbewohner. Es gibt mehrere Varianten der schlaffen Zipfelmützen - sie zeigen den sozialen Status der Männer an! Da wäre als Erstes die braunrote Babymütze, die ebenfalls gestrickte rotweisse Bubenkopfbedeckung, gefolgt vom rot-weiß-getreiften Teenie-Deckel. Die etwas an Schlafmützen erinnernden Schlaffhüte werden von den unverheirateten Jungs neckisch zur Seite getragen, die Verlobten haben dieselbe auf, allerdings steiff nach hinten gelegt, was ihnen somit aber auch keinen Sonnenschutz bietet, wie den Anderen. Als Pendant muss sich die Zukünftige einen schwarzen Umhang um den Kopf ziehen, der ihr zwar SPF 5000 bietet, aber auch keine freie Sicht mehr.

Die verheirateten Frauen dürfen den Umhang in der Oberkopf-Mitte tragen, entspricht dann der rot-blau-geringelten extralangen Zipfelmütze der Ehemänner. Hat es Einer dann wirklich zu was gebracht in der Gemeinschaft, darf er die prächtige rot-gelb-orange-rosa-Regenbogen-Mütze tragen, getoppt vom braunen Lederhut. Der Gürtel sagt ganz Spezielles aus und wird von den Auserwählten selbst hergestellt und bei der Heirat ausgetauscht. Anhand des Musters lässt sich die Familie bestimmen, die Vorgeschichte und der Monat der Verlobung bzw. Verheiratung. Eingewebt werden auch die eigenen Haare der Teenies, die sie eigens zu diesem Zweck lang wachsen lassen. Übrigens: hier werden erst Babies gemacht, dann wird geheiratet.

Wirklich aufschlussreich finde ich auch, dass Stricken hier auf der Quetchua-sprachigen Insel ausschließlich Männersache ist, und vom Papa an die folgenden Generationen weitergegeben wird. An jeder Hausecke sehen wir die zipfelbemützten Männer also die Stricknadeln schwingen, sie laufen Masche um Masche legend durch die Straßen, selbst unser Kellner gibt die Nadeln nur kurz weg, um uns zu bedienen, sofort danach hält er wieder seine rote halbfertige Mütze in der Hand und klappert drauf los. Irgendwie merkwürdig, obwohl, wenn ich so darüber nachdenke: Ich könnt da noch so eine dicke flauschi-Mütze gebrauchen...Schaaaatz?!

Wie? - Nee! So ´nen Umhang trag ich dafür nicht!

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